Pontius Pilatus
Autor: Jens Herzer
Der Autor, Jg. 1963, ist Professor für Neues Testament an der theologischen Fakultät der Universität Leipzig. Er fragt in seinem Buch, wie es sein kann, dass Pontius Pilatus eine derartige Bekanntheit erlangt hat, dass er sonntäglich im Glaubensbekenntnis der Kirchen genannt, in koptisch-orthodoxen Kirchen gar als Heiliger verehrt ist und in zahlreichen Legenden, Romanen, Gemälden, Skulpturen und Filmen dargestellt wird. Herzer versucht zunächst, die Quellenlage einzuschätzen. Er nennt Flavius Josephus, auch Philo von Alexandrien und eine Inschrift von Cäsarea am Meer, dem Amtssitz des Pilatus, die 1961 entdeckt wurde. Dann sind natürlich die vier Evangelien als „theologisch motivierte Erzählungen“ wichtig, die für den Autor „eine gewisse Entwicklung in der Beurteilung des Präfekten innerhalb der frühchristlichen Überlieferung erkennen lassen“ (S. 23). Dass Pilatus Jesus verurteilt hat, ist für den kritischen Theologen keine Frage, aber manche Aussagen der Evangelien wertet er nur als spätere christliche Deutungen. So hält er die Frage, ob Pilatus den Ehrentitel amicus Caesaris, „Freund des Kaisers“ trug (Joh 19,12), eher für eine literarische Fiktion der Pilatusfigur. Die kanonischen Evangelien sind für den Autor kaum zuverlässiger als alle anderen Quellentexte. Das Markusevangelium lässt er um das Jahr 70 entstanden sein und den Evangelisten Matthäus nennt er einen jüdischen Thoragelehrten und Christen aus den 80er Jahren des 1. Jahrhunderts, „für den das spannungsreiche Verhältnis zwischen Jesus und den Pharisäern … besonders prägend ist und offenbar auch die Realität seiner Gemeinde … bestimmt.“ (S. 177) Und weil nur Matthäus die Frau des Pilatus erwähnt, sei „der historische Wert der Szene umstritten.“ (S. 178) Überhaupt lässt er die Evangelien dahin tendieren, dass Pilatus von der „Schuld“ am Tod von Jesus entlastet wird und die späteren Pilatusakten hätten das noch verstärkt. Außer dem Umfeld der damaligen Zeit sowie der Legendenbildung und Verkitschung des Pilatus in nachbiblischer Zeit bis heute lernt man fast nichts Gewisses über die Person des Buchtitels und wird von seinem Autor auch noch dazu angeleitet, den Evangelien gehörig zu misstrauen. Schade um die Zeit.
Die Rezension/Kritik stammt von: Karl-Heinz Vanheiden
Kategorie: Biografien, Lebensbilder
Jahr: 2020
ISBN: 978-3-374-06063-4
Seiten: 280
€ Preis: 20,00 Euro