Nimm und iss...
Autor: Eugene H. Peterson
Eugene H. Peterson, langjähriger Gemeindepastor in den USA und Professor für Spiritual Theology in Kanada, verficht ein hehres Anliegen für unseren Umgang mit der Heiligen Schrift. Das „prägende“ oder auch „angemessene“ Bibellesen, wie er es nennt. Peterson zielt auf Gleichzeitigkeit zwischen Lesen und Leben der Bibel: „Vielmehr leben wir die Bibel, während wir sie lesen, erleben die Wechselwirkung zwischen Leben und Lesen, Körpersprache und gesprochenem Wort, das Geben und Nehmen, welches das Lesen zum Leben und das Leben zum Lesen macht.“ (S.11) Der Autor fordert fortwährend das „geistliche Lesen“ der Bibel, die sog. Lectio Divina (S.17), das betende Meditieren über den Texten wie von den Wüstenvätern und dem katholischen Mönchtum her bekannt. Am Ende und Höhepunkt dieser Übungen stand dabei stets die contemplatio, die kontemplative Gemeinschaft mit Gott. Peterson verallgemeinert die Worte des starken Engels an Johannes (Offb 10,9- 10) und schwärmt geradezu: „Komm zu Tisch und iss dieses Buch, denn jedes Wort in diesem Buch soll in unseren Seelen und Körpern etwas bewirken, Gesundheit und Vollkommenheit, Lebensfreude und Heiligkeit, Weisheit und Hoffnung.“ (S.37) Von Umkehr, oft bleibender menschlicher Schwachheit und Gebrechlichkeit (2.Kor 12,9), ja unserem Schrei nach Erlösung und Sündenvergebung wird hier nichts gesagt. Im Folgenden beleuchtet Peterson die Heilige Schrift als Text (S.39ff), als Form (S.55ff) sowie als Drehbuch (S.83ff). Geistliches Leben virtuos meint einer musikalischen Aufführung gleich Teilwerdung sowie die Freisetzung von Geist und Energie, ja sogar ein besseres Verständnis der Zusammenhänge als vom Urheber selbst (S.104-105). Wo aber bleibt der gebotene Abstand zwischen Schöpfer und Geschöpf, zwischen Gott und Mensch, zwischen dem Allein-Heiligen (Offb 15,4) und all den Heerscharen von Sündern, denen ihr Ruhm bei Gott mangelt (Röm 3,23)? Peterson will beileibe nicht über den Text der Heiligen Schrift hinaus, merkt aber gar nicht, welch nebulöser, seelischen Schwarmgeisterei er selbst verfällt, die im tiefsten Grund fleischlicher Natur und damit abzulehnen ist: Die Lectio Divina wird von Peterson dann noch im Einzelnen erläutert, wobei sich unter oratio, dem Gebet, eine merkwürdig mystische Verschmelzung zwischen Leser und Wort einstellt: „Gott hält keine Reden. Er nimmt an Gesprächen teil und wir werden zu Partnern in dem Gespräch. Wir treten in den Satzbau, die Grammatik des Wortes Gottes ein… wir sind Teil des Satzbaus, wir stehen nicht außerhalb.“ (S.140) Am Schluss seines Buches geißelt Peterson dann noch unser Bemühen um eine möglichst wortgetreue Wiedergabe des inspirierten Wortes Gottes: „Übersetzung ist Betrug. Jede Übersetzung an sich ist eine falsche Übersetzung … Jede Sprache hat einzigartige Aspekte, die sich nicht in eine andere Sprache übertragen lassen. An diesem Maß gemessen, ist jede Übersetzung eine Verfälschung des Originals, eine Verwässerung, eine Reduzierung.“ (S.215) Doch Petersons Alternative der „Teilhabe an der Arbeit und Sprache Gottes“ (S.221) durch versenkende Verschmelzung mit dem Textgeschehen der Bibel erweist sich letzten Endes als undifferenzierte und reichlich anmaßende religiöse Selbstüberschätzung des Menschen. Nicht aber gefühlt warmherzige Bibelerlebnisse sind für uns gefragt, vielmehr der tatkräftige und treffsichere Gebrauch vom „Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes“ (Eph 6,17), ganz gleich in welcher Muttersprache.
„Wir lesen die Bibel nicht, um unser Leben auf das zu reduzieren, was uns angenehm und machbar erscheint – wir wollen mitmischen beim Rätsel der Dreieinigkeit, dem emporsteigenden Lobpreis der Engel, der sonderbaren Schroffheit der Propheten und … Jesus.“ (S.116)
Die Rezension/Kritik stammt von: Gerald-Dietmar Kupatt
Kategorie: Bibeln, Studienbibel, Bibelstudium
Jahr: 2014
ISBN: 978-3-86256-045-5
Seiten: 224
€ Preis: 14,90 Euro