Neues Leben - Neues Testament
„Lebensnah, leicht verständlich und doch sachlich und in haltlich zu verlässig lebendige moderne Sprache, verbunden mit der Nähe zum biblischen Urtext“ sind nach Angaben des Verlags die Kennzeichen der Neues-Leben-Übersetzung (NLÜ). Vorlage dieser (moderat) kommunikativ (auf Verstehbarkeit) ausgerichteten Übersetzung aus bibeltreuer Hand ist offenbar die in der angelsächsischen Welt beliebte amerikanische New Living Translation (Wheaton: Tyndale, 1996). Wie ist die NLÜ aus fachlicher Sicht zu beurteilen? Für die Qualität einer Übersetzung entscheidend sind in erster Linie a) deren Treue zum Originalinhalt und b) deren Verstehbarkeit. Nach dem Anspruch des Verlags zeichnet sich die NLÜ in beiden Bereichen aus. Doch stehen Anspruch und Wirklichkeit im Einklang zu einander? Die Antwort, die sich nach einer recht intensiven Durchsicht der NLÜ aufdrängt, lautet: Teils ja, teils nein. Tatsächlich bedient sich die NLÜ weitgehend einer lebendigen, zeitgerechten Sprache, die ein hohes Maß an Verstehbarkeit gewährleistet. Manche Teile sind nach meinem Dafürhalten stilistisch hervorragend gelungen. Dazu zählen etwa der Galaterbrief und Psalm 68, deren Lektüre mir besondere Freu debereitete (u.a. weiter 1. Kor 1,17 [»Und dies nicht mit geschliffenen Reden, welche die Zuhörer beeindrucken«], Eph. 6,10ff, Phil. 3,1.7). Tatsächlich weist die NLÜ auch insofern ein hohes Maß an Treue zum Originalinhalt auf, als mir bei meiner Durchsicht nichts theologisch Bedenkliches begegnet ist: Nach meiner Beobachtung stellen sich gewählte Text deutung und Formulierung – wie auf Grund der amerikanischen Vorlage und des theologischen Engagements des Verlags zu erwarten – in keinem Fall in den Dienst irgendeiner Sonderlehre moderner oder herkömmlicher Ausprägung. Andererseits darf eine Reihe von Aspekten nicht verschwiegen werden, die die Qualität der NLÜ (in der gegenwärtigen Form) um einiges schmälern: Die Verstehbarkeit kann zwar in weiten Teilen als vorbildlich bezeichnet werden. Doch trifft man immer wie der auf Passagen, die gerade in diesem Bereich zu wünschen übriglassen, sei es im Blick auf die Wortwahl oder auf die Gestaltung der Textstruktur (verstehbarkeitsfördernde Verknüpfung von Sätzen und Absätzen [Textkohärenz]). Röm. 9,11 („Doch [? – ein Gegensatz ist im Kontext nicht ersichtlich] schon vor der Geburt … sprach Gott zu Rebekka.“) und Kol. 4,6 („Redet freundlich und klar mit ihnen, damit [? – das Folgende kann schwerlich Ziel/Zweck des Vorausgehenden sein] ihr wisst, wie ihr jedem Einzelnen am besten antworten sollt.“) sind zwei von einer recht großen Zahl von Beispielen, auf die ich gestoßen bin. Während die Treue der NLÜ zum Originalinhalt im Großen und Ganzen in Ordnung ist, stößt man immer wie der auf Problematisches, besonders wenn man sich den Details zu wendet. An zu vielen Stellen vermisst der Sachkundige die eigentlich zu erwartende exegetische Sorgfalt. Eine gründliche Beschäftigung mit den Deutungsmöglichkeiten der Grundtextpassage scheint recht häufig zu fehlen. Wie der zwei von recht vielen mir auf gefallenen Beispielen: Ps. 66,5 („an seinem Volk“ statt „an den Menschen[kindern]“) und Phil. 3,8 („Ich habe alles andere verloren [statt: aufgegeben]“). Hängt dieser Mangel vielleicht damit zusammen, dass bei der Entstehung der NLÜ die amerikanische Vorlage eine größere Rolle spielte als der hebräische und griechische Grundtext? Auf jeden Fall tun Leser der NLÜ gut daran, diese Übersetzung durch bewährte zu ergänzen. Fazit: Die NLÜ weist ein hohes Maß an Verstehbarkeit und Treue zum Originalinhalt (theologisch unbedenklich) auf. Gleichzeitig ist sie in bei den Bereichen, vor allem aber im letzteren, an recht vielen Stellen verbesserungsbedürftig und sollte daher durch bewährte Übersetzungen ergänzt werden.
Die Rezension/Kritik stammt von: Heinrich von Siebenthal
Kategorie: Bibeln, Studienbibel, Bibelstudium