Buch-Rezension: Lebensbilder römischer Frauen - Kulturgeschichte der Antiken Welt

Lebensbilder römischer Frauen

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In der teils engagiert geführten Debatte um die Rolle der Frau in den neutestamentlichen Gemeinden wird neben dem Ringen um die genaue Auslegung von umstrittenen Einzeltexten des NT auch auf die Rolle von Frauen in der hellenistisch-römischen Welt als Parallele oder Kontrast verwiesen. Dabei entsteht oft der Eindruck, dass die Vertreter verschiedener Positionen durch solche Verweise auf die Umwelt des NT ihre Position untermauern und auf den zu ihrer Position passenden „Hintergrund“ verweisen. Doch wie war es um die Frauen in der Antike tatsächlich bestellt? Der vorliegende hervorragend illustrierte und bebilderte Band der Althistorikerin Rottloff bietet dazu allgemeinverständliche und kompetente Informationen. Dabei verbindet Rottloff Überblicke über die verschiedenen Lebensbereiche antiker Frauen, die sich am Lebenslauf orientieren und knapp dreißig Einzelporträts von Frauen, wie sie aus literarischen Quellen, Inschriften oder archäologischen Funden erhoben werden können (Umfang je nach vorhandenen Quellen). So erhalten „die Frauen“ Gesichter und die allgemeinen Ausführungen werden durch Einzelbeispiele plastischer. Bei den Porträts sind Frauen aus jenen Gesellschaftsschichten vertreten, die überhaupt entsprechende Spuren hinterlassen konnten. Die Frauen aus den Unterschichten werden in den Überblicken mit berücksichtigt. Leider wird keine der im NT erwähnten Frauen porträtiert.

Unter der Überschrift „Ungeliebte Töchter“ (12-30) geht es um Geburt und Kindheit von Mädchen, anschließend um Verlobung und Hochzeit („Vom kleinen Mädchen zur Matrone – ein allzu plötzlicher Übergang ins Erwachsenenleben?“, 31-46; Kleidung, Hochzeitstage, Zeremonien, Mitgift, Tod vor der Hochzeit), Ehealltag (46-70, Haus und Familie, Kinder als ersehnte Freude und tödliches Risiko, Empfängnisverhütung und Abtreibung, Tracht und Schmuck, Scheidung und Witwenschaft), „Vermögende Frauen – Großgrundbesitzerinnen und Stifterinnen“ (71-88, u. a. „Babatha – eine Grundbesitzerin in den Wirren des Bar-Kochba-Aufstands“); Göttinnen und heilige Frauen (Glaube und Aberglaube in römischer Zeit, 89-114; hier geht es nach Vestalinnen, Magie, Hexerei und Fluchtafeln auch um einige Frauen aus der Alten Kirche). Weitere Kapitel beleuchten „Händlerinnen, Hebammen und Heilerinnen – Berufstätige Frauen in der Kaiserzeit“ (115-39), Frauen in den römischen Provinzen (140-50, „Verstorben in der Fremde“ sowie Frauen und römisches Militär), Sklavinnen als die dienstbaren Geister des römischen Hauses (151-56, Wie wurde man Sklavin?, Verkauf und Aufgaben von Sklavinnen), Frauen außerhalb der Gesellschaft (157-69, Schankmädchen und Prostituierte, Frauen als Tänzerinnen, Musikantinnen, Schauspielerinnen und Gladiatorinnen) sowie den Tod und die Bestattung von Frauen (170-77). Der Band endet mit ausführlichen Literaturhinweisen (181-94).

Neben dem Beitrag zur eingangs erwähnten Debatte erhalten die Leser viele Informationen, um die Frauen auf den Seiten des NT besser verstehen zu können. Einige Beispiele: Tabita aus Joppe und die Purpurhändlerin Lydia (Apg 9,36-42; 16.14f; Abschnitt zu Textilherstellung und Handel, 131f), den Tanz der Salome (Mk 6,22; Tänzerinnen auf S. 162), die Witwen in 1Tim 5,3-16 (70), die Diskussion um die Unzucht in Korinth (1Kor 5 und 7, 156-61), die Anweisungen des 1Petrusbriefs zur äußeren Erscheinung christlicher Frauen (3,3-5; 63-69, Abbildungen auf S. 51, 155), Phöbe als Beistand der Gemeinde Kenchreäas (Röm 16,1, 73-88). Auch die Abbildungen sind instruktiv, so z.B. die auf S. 25 abgebildete Darstellung auf einem Sarkophag, auf der die Eltern um das auf einem Bett liegende verstorbene Mädchen trauern (25; vgl. Mk 5,35-43). Es ist spannend, wenn einem manches Licht aufgeht und man beginnt, sich die Einsichten für das NT an den Rändern zu vermerken!

Der Band befähigt seine Leser, sich ein eigenes Bild von Leben und Bedeutung von Frauen in der antiken Welt zu machen. Es bleibt den Lesern selbst überlassen, die Bedeutung dieses Bildes für unser Verständnis umstrittener ntl. Stellen zu formulieren. Auf jeden Fall wird deutlich, dass man angesichts dieses differenzierten Bildes mit Pauschalurteilen über die Frauen der ntl. Umwelt vorsichtig sein sollte. Für das NT wären bei allen Gemeinsamkeiten im Leben und Verständnis von Frauen mit der hellenistisch-römischen Welt auch frühjüdische Besonderheiten zu bedenken.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Christoph Stenschke
 Kategorie: Biografien, Lebensbilder

  Verlag: Zabern
  Jahr: 2006
  ISBN: 3-8053-3546-6
  Seiten: 197
 €    Preis: 29,90 Euro