Buch-Rezension: Kleines Lexikon biblischer Irrtümer - Von Adam bis zu den Zehn Geboten

Kleines Lexikon biblischer Irrtümer

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Auf den ersten Blick weckt dieses Buch die Hoffnung auf eine interessanten Leseabend: handliches Format, fester Einband, angenehmer Druck auf festem Papier, all dies erfreut den Haptiker und rechtfertigt den Preis. Wesentlicher: Dutzende kurzweilige Zweiminuten-Artikel, verfasst in lockerem, humorvollen Schreibstil, bei dem ein Augenzwinkern des Verfassers nicht zu übersehen ist

Das Vorwort beginnt mit der verbreiteten, aber irrtümlichen Annahme, dass „Adam im Paradies mit einem Apfel“ verführt worden sei. Dies wird dann aber sachgerecht widerlegt: Die genaue Art der Frucht im Paradies ist uns in der Bibel nicht überliefert. Und auch dem nächsten Beispiel im Vorwort kann der Kundige durchaus zustimmen: Es sei ein Irrtum, dass die vier Evangelisten ihre Berichte wie „frühgeschichtliche Online-Reporter“ (5) in einem Tagebuch notierten. Vielmehr hätten sie ihre Berichte erst im Nachhinein und zeitversetzt verfasst.

Derart eingestimmt ist der Bibelleser gespannt, ob die Folgeseiten ihn vielleicht selbst eines Irrtums oder Missverständnisses überführen – oder wenigstens den Blick für das genaue Bibellesen schärfen. Und doch stimmt der Buchtitel vorsichtig: schließlich waren die Beispiele ja keine Irrtümer der Bibel, sondern Irrtümer von Menschen hinsichtlich der Bibel. Der Autor, Jg. 51, Leiter der Redaktion „Religion, Kirche und Gesellschaft“ beim SWR-Fernsehen, will „mit den größten Missverständnissen rund um das Buch der Bücher“ aufräumen (6). War dem Verlagsmarketing ein Buchtitel „Lexikon menschlicher Missverständnisse über die Bibel“ einfach zu klobig und verkaufshinderlich?

Nein, der Titel entspricht der Zielsetzung des Verfassers, Fehler und Widersprüche der Bibel aufzudecken. So erfährt der Leser ohne weiteren Beleg, dass sich die Schöpfungsberichte aus 1Mo 1 und 2 „zu allem Unglück auch noch in wesentlichen Teilen widersprechen“ (7) und uns mit 1Mo 2ein offensichtlich anderer Autor plötzlich eine ganz andere Version von der Erschaffung der Welt“ erzählt (8). Dies wird mit anderen Worten dann auf den Seiten 38ff nochmals ausgewälzt, Gleichsam erfahren wir im Nebensatz, dass der Verfasser der Johannesoffenbarung „übrigens nicht mit dem gleichnamigen Evangelisten identisch ist“ (15).

Hellhörig macht die Formulierung: „In der Bibel findet sich Gottes Wort. Akzeptiert“. Offen und unmissverständlich wird dies genauer ausgeführt, dass Gott dieses Wort „doch eher nicht Wort für Wort“, sondern dem „Sinne nach“ zu Papier bringen ließ. So ist auch erklärbar, „warum die Bibel in ihrer Form alles andere als einheitlich ist und warum sich in ihren Inhalten viele Widersprüche finden“ (26). Damit sich der Leser gleich einordnen kann, erhält er den Hinweis: „Im wesentlichen sind es heute nur noch christliche Fundamentalisten oder Teile der sogenannten charismatischen oder evangelikalen Bewegungen, die daran festhalten, die Bibel sei wörtlich direkt von Gott offenbart, absolut unfehlbar und irrtumslos.“ (26). Was Paulus schrieb, besitzt demnach nicht „den Rang einer absoluten Wahrheit oder eines Gotteswortes. Gegenteilige Meinungen sind durchaus möglich und sie fallen keinswegs unter irgendwelche Kirchenstrafen“ – und damit ist auch, was Paulus zur Homosexualität sagt, keineswegs bindend (67).

Bork wollte „mit Humor und Leichtigkeit“ schreiben (6) – dem Rezensenten verging bei solcher Leichtigkeit jeglicher Humor. Der im Vorwort eingeschlagene Weg, menschliches (Miss-)Verständnis am biblischen Zeugnis zu messen und ggf. zu korrigieren, wird schnellstens verlassen. Dass der theologisch-liberale Leser in den Artikeln noch Reizvolles finden mag, ist wohl möglich; der sich dem Wort unterordnende Bibelleser wird nicht einmal kichern können: Paulus, der „Jesus selbst nie persönlich begegnet ist“ (18) und sich als „Ausnahmetheologe“ mit 1Kor 14,34nahe am Super-GAU“ befindet (50); David, dessen „gut gezielter Steinwurf“ „nur am Anfang einer beispielhaften Karriere“ stand (33); Salomo, der „keinen Gedanken daran verschwendet, dass die beiden auf ein erotisches Abenteuer zusteuernden Partner auch verheiratet sein müssten“(64); Gott, der „in der Tat manchmal seine Meinungen ändert“ (55) und ein Messias, der „anscheinend manchmal auch einen schlechten Tag hatte“ (77, zu Mt 21,18f).

Und doch deckt der Autor durchaus auch Richtiges auf, fraglich nur, ob dies ein ganzes Buch rechtfertigt: Dass die Kirche kein „exklusiver Männerclub“ sei, sondern von Anfang an viele Frauen dazugehörten und zum Gemeinwohl wesentlich beitrugen (82); dass „Jonas kein Walfisch“ war, sondern der Prophet (und nicht das Tier) Jona hieß - und das Tier einfach als Fisch bezeichnet wird (82); dass die Frau, die Jesus Füße mit kostbarem Öl begießt (Lukas 7), nirgends in der Bibel mit Maria Magdalena gleichgesetzt wird; dass wir nicht wissen, welche Tiere (z.B. Ochs‘ und Esel) bei der Geburt Jesu zugegen waren (112).

Ganz gegen Ende des Buches verstößt Bork wohl gegen das selbstgesteckte Ziel, nämlich ohne „erhobenen Zeigefinger und anklagenden Unterton“ (6) zu schreiben: Er greift unter der Überschrift „Zölibat“ ein biblisches Kriterium für geistliche Leitungsämter heraus: Wer ein solches bekleidet, soll seine Pflichten als Familienoberhaupt vorbildlich erfüllen - tut er dies nicht, wie kann er dann die Sorge für die Gemeinde Gottes übernehmen (vgl. 1Tim 3,2ff)? Diese „im Idealfall“ zu erfüllende Pflicht schreibt er „so manchen evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrern ins Stammbuch“ (173). Nun, dies sei jedermann in geistlichem Leitungsdienst in Erinnerung gebracht - Bork hat sich aber in den vorangegangenen Seiten selbst jeder Autorität beraubt. Denn woher weiß er, dass es sich hierbei um eine absolute Wahrheit, ja den Willen Gottes handelt? Dass es nicht nur die sehr persönliche Sicht des Ausnahmetheologen Paulus ist, dem nur noch ein paar Fundamentalisten Bedeutung zumessen? Die Position desselben Paulus, der die vorher kategorisch abgelehnten Aussagen zur Homosexualität und Verhaltens der Frauen verfasste.

Ein Buch, das der Rezensent kaum mehr zur Hand nehmen wird. Schade.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Ansgar N. Przesang
 Kategorie: Sonstiges

  Verlag: Gütersloher Verlagshaus
  Jahr: 2009
  ISBN: 978-3579065236
  Seiten: 174
 €    Preis: 12,95 Euro