Buch-Rezension: Ich mag mich - Wege zum Selbstvertrauen

Ich mag mich

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Er schreibt und schreibt. In jedem Jahr erscheinen mehrere Titel des Psychotherapeuten und Eheberaters Reinhold Ruthe. Diesmal soll das Thema "Selbstannahme" griffig, praktisch und in geeigneten Häppchen für die Fast-Food-Gesellschaft aufbereitet werden. Das Büchlein will Menschen mit Minderwertigkeitsgefühlen "Wege zum Selbstvertrauen" zeigen. "Das Ziel der Gesinnungsänderung muss heißen: Freiwerden von Minderwertigkeitsgefühlen, Überwindung von Geltungsstreben und persönlicher Überlegenheit ... Selbstachtung und Selbstvertrauen gewinnen" (43).

Das Ziel "Selbstvertrauen" erscheint Reinhold Ruthe über jeden Zweifel erhaben. Deswegen sind ihm auch beinahe alle Mittel recht, um dort anzukommen. Auf der Speisekarte stehen "Positives Denken" á la Norman Vicent Peale, "Gestalttherapie" á la Frederick S. Perls, "Adlers Individualpsychologie" "Frankls Logotherapie", "Mitmenschlichkeit" und last but not least "Christlicher Glaube mit Bibel und Gebet".

Das Kernproblem des Menschen scheinen seine Minderwertigkeitsgefühle zu sein, darum erklärt uns R. Ruthe, wie es nach den von ihm bevorzugten psychotherapeutischen Konzepten zu ihnen gekommen sei und wie wir sie wieder los werden. Da angeblich alles von unserem "Selbstbild" abhängt, "unsere zwischenmenschlichen Beziehungen, unsere Arbeitsleistung und unser Engagement in Kirche und Gemeinde" (27), muss dieses Selbstporträt nun aufpoliert werden. Dahinter steht die Angst vor psychischer Erkrankung, denn "der Minderwertigkeitskomplex findet sich in allen Formen psychischer Erkrankung" (35). Und außerdem scheint er der Wurzelboden für alles Schlechte (Aggression, Alkoholismus, Psychosen).

Woher weiß Ruthe eigentlich, dass Minderwertigkeitsgefühle so schlecht sind und Selbstvertrauen besser? Die Bibel fördert nüchterne Selbsterkenntnis, die bei den meisten Zeitgenossen wohl eher zu Minderwertigkeits gefühlen führen wird. Und vor allem will sie Christuserkenntnis hervorbringen, die zu Vertrauen auf Gott führt.

Das Beste, was man zur vorliegenden Mischung aus richtigen Beobachtungen des verdrehten menschlichen Denkens, Psychotipps und Lebensbewältigungsratschlägen sagen kann ist: Sie sei einfach überflüssig. Aber es ist schlimmer, weil Christus und sein Erlösungswerk missbraucht wird, um das menschliche Selbstbewusstsein zu stärken: "Der lebendige Glaube ist der Schlüssel dazu, ohne Kampf und Krampf frei von Minderwertigkeitsgefühlen zu werden. ... Der echte Glaube an Christus, ... der sich auf ihn rückhaltlos verlässt, ist die beste Garantie gegen Minderwertigkeitsgefühle" (57).

Es stimmt einfach nicht, dass "Gott ja zu mir gesagt hat" und "mich so recht sein lässt". Es ist falsch, dass ich jetzt "mit mir einverstanden" sein soll "mit meinen Fehlern" usw (50-51). Als Christus elendig starb, hat Gott nämlich "Nein" zu mir gesagt?! Er hat mein Leben durchgestrichen. Es ist nicht nur nutzlos. Mein Leben ist geeignet, den gerechten Christus ans Kreuz zu bringen. Ich bin nach Gottes Urteil nicht nur "minderwertig", vielmehr bin ich Gegner Gottes, der in dieser Welt nichts Gutes zustande bringt. Das einzig richtige Urteil über mich ist an Jesus vollzogen worden: "Weg mit ihm! Ans Kreuz mit ihm!"

Das Wunder des Glaubens besteht doch gerade darin, dass ich das "Nein" akzeptiere und dann in Christus die Vergebung und Annahme bei Gott glaubend empfange. Der Glaube klebt an Christus, der meine Schuld trägt und kommt nie zum "Selbstvertrauen".

Übrigens redet auch Psalm 139 nicht von der Selbstannahme, sondern von dem unbegreiflichen Wunderwirken Gottes. Dass ich wunderbar gemacht bin, erkennt meine Seele daran, dass Gott mich verfolgt und mich nicht frei gibt. Ich kann nicht vor ihm fliehen. In diesem Psalm schreibt Gott alle Tage meines Lebens in sein Buch. Am Ende spricht er sein Urteil. Das ist das Wunderbare und Unbegreifliche, nicht aber die simple Selbstannahme-Theologie.

Der zusammen gewebte Mix psychologischer Schulen, garniert mit ein paar frommen Worten, hat darum nach meiner Überzeugung auf den Büchertischen unserer Gemeinden nichts zu suchen, selbst wenn er sich gut verkauft.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Thomas Jeising
 Kategorie: Sonstiges

  Verlag: Brendow impuls
  Jahr: 2000
  ISBN: 3-87067-812-7
  Seiten: 64
 €    Preis: 4,90 Euro

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