In dieser aktuellen Neuerscheinung bietet der Autor fundierte und überzeugende Argumente gegen die sogenannte Ersatztheologie, die besagt, dass die Gemeinde das Volk Israel im Plan Gottes ersetzt hätte. Er beleuchtet die historische Entwicklung der Ersatztheologie in der Kirchengeschichte und scheut sich nicht, schwierige und von Ersatztheologen häufig vorgebrachte Argumente gründlich darzustellen und biblisch zu beurteilen.
Ein sehr hilfreiches und informatives Werk für jeden, der sich für Heilsgeschichte, Endzeitfragen und die Zukunft Israels interessiert. Außerdem kommen bekannte Theologen beider Standpunkte aus den vergangenen Jahrhunderten mit Quellenangaben zu Wort und werden erläutert.
Der schweizer Verlag Mitternachtsruf, bekannt für seine dispensationalistische Ausrichtung und den damit verbundenen Glauben an die geistliche und nationale Wiederherstellung Israels, hat mit diesem Werk eine ausgewogene Kritik am Superzessionismus („Ersatztheologie“) vorgelegt.
Michael J. Vlach, der am von John F. MacArthur gegründeten und geleiteten Master’s Seminary Theologie unterrichtet, analysiert den Superzessionismus in vier Teilen. Im ersten Teil führt er in die auch als Substitutionstheologie bezeichnete Theorie ein und zeigt unterschiedliche Varianten und Ausprägungen auf (S. 23-42).
Teil 2 stellt die Ersatztheologie in kirchengeschichtlicher Hinsicht dar (S. 45-105). Hierbei gelingt es dem Autor aufzuzeigen, dass es schon in der Patristik unterschiedliche Auffassungen über die Verstoßung/Hoffnung Israels gab. Interessant war für den Rezensenten der Hinweis darauf, dass im 17. Jahrhundert sowohl die Puritaner als auch reformierte Theologen in den Niederlanden an eine Errettung oder Wiederherstellung der Juden glaubten (S. 86).
In hermeneutischer Hinsicht wird der Superzessionismus im folgenden Teil dargestellt und analysiert (S. 107-164). Vlach benennt hierbei die Argumente der Gegner und widerlegt sie sowohl präzise als auch für den Laien verständlich, um schließlich die Hermeneutik des Nonsuperzessionismus zu entfalten.
Ähnlich verfährt der Autor bei seiner Auseinandersetzung mit den theologischen Argumenten der Ersatztheologie (S. 167-267). Als interessantes Gegenargument führt er das Modell einer neuen Schöpfung an, wonach auch in der Ewigkeit zwischen verschiedenen Ländern und Nationen unterschieden wird.
Der Schlussteil sowie verschiedene Anhänge runden das auch für Vertreter abweichender Positionen lesenswerte Werk des Autors ab.
Anfragen hat der Rezensent zu dem „schon jetzt, noch nicht“-Prinzip („already-but-not-yet“) der Behandlung prophetischer Texte und ihrer Erfüllung: Wie ist dieses Prinzip zu vereinbaren mit dem Prinzip von der einzigen Auslegung/Bedeutung der jeweiligen Bibelstelle? Darf der Bedeutungsinhalt einer atl. Bibelstelle im Hinblick auf die ntl. Zitierung ohne Weiteres erweitert werden wie es u.a. dem progressiven Dispensationalismus zurecht vorgeworfen wird? Dass sich beispielsweise der Neue Bund „zunächst eindeutig“ auf die Gemeinde beziehen soll (S. 129), erscheint ausgehend von Jeremia 31,31ff. durchaus zweifelhaft. Vielmehr ist die Gemeinde Jesu sekundär des Neuen Bundes teilhaftig. Und ist nicht sogar einer falschen Bibelauslegung Tür und Tor geöffnet, wenn man das „sowohl-als-auch“- Prinzip dem „entweder-oder“ überordnet (S. 269)? Andere dispensationalistische Autoren haben hierzu berechtigte Kritik geäußert (auf Deutsch z.B. Robert L. Thomas in: Wenn die Posaune erschallt oder Charles C. Ryrie in: Lexikon zur Endzeit, Stichwort: Progressiver Dispensationalismus).
Dennoch regen viele Argumente des Autors zum Nachdenken, Weiterstudieren und Überprüfen der eigenen Ansicht an. Fazit: Absolut lesenswert!