Buch-Rezension: Harmlos, kraftlos, ziellos - Die Krise der Predigt - und wie wir sie überwinden

Harmlos, kraftlos, ziellos

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Unsere Predigtkultur betrübt den Geist. Sie verletzt die Ewigkeit“. Mit diesem Satz aus der Einleitung ist die Not beschrieben, die Klaus Eickhoff zu dieser Arbeit veranlasste. Es geht ihm dabei nicht um gelegentliche Fehlleistungen auf der Kanzel. Nein, er ist überzeugt, dass die evangelische Predigtkultur hierzulande weithin krank ist.

„Der Predigt hierzulande ergeht es wie dem schwedischen Kriegsschiff Wasa am 10. August 1826. Nach ihrem Stapellauf geht sie alsbald unter und verschwindet in der Versenkung. Schon nach Minuten ist es bei der Predigt oft so, als habe es sie nie gegeben. Warum gibt es sie dann überhaupt? Und warum verschwindet sie dann so schnell in der Vergessenheit?“

Das Buch ist keine Kritik am rhetorischen und intellektuellen Niveau der Predigt, sondern an ihrer Wirkungslosigkeit. Es wird gepredigt, aber die Predigt ist „kontraproduktiv, bewirkt das Gegenteil von dem, was sie bewirken sollte. Oftmals stärkt sie nicht, erbaut nicht, sammelt und sendet nicht. Sie vergrault.“ Aus diesen Beobachtungen leiten sich die Hauptlinien des Buches ab. Es geht nicht um die Entstehung der Predigt, sondern um die Frage, was die Predigtwirkung untergräbt und was verändert werden müsste, um diesen Misstand zu beheben.

Warum geht es der Predigt so schlecht? Gut ein Drittel des Buches verwendet Eickhoff, um das Geflecht der Ursachen zu beschreiben. Unter anderem sieht er folgende Gründe:

1. Die Verharmlosung Gottes. Eickhoff beklagt, dass die Gottesfurcht aus dem Denken und Glauben verbannt wurde. Es gibt an Gott nichts mehr zu fürchten. Es wird verschwiegen, dass es Zorn Gottes über die Sünde gibt, dass es ein Gericht gibt, dass der Mensch ohne Buße verloren ist. Deshalb spielen Umkehr und Nachfolge in der Predigt keine Rolle. Und weil Gott nichts anderes ist, als der „liebe Gott“, wird alles ziemlich beliebig. Und billig: Billige Gnade, billiger Trost, billige Vergebung. Die logische Konsequenz: Der Mensch wird nicht auf Gott ausgerichtet, sondern Gott bekommt ein paar Funktionen zugewiesen, wie er dem Menschen dienen kann.

2. Der Verlust der Ewigkeit. Für Luther war klar, dass Jesus Christus als Retter die Mitte der Predigt sein muss. Diese Mitte ist verloren gegangen. Eickhoff spricht von einer tiefen „Krise des Christusglaubens“ mit weitreichenden Folgen. Für viele Erweckungsprediger war die Ewigkeitshoffnung der Grund, um Menschen und ihre Rettung zu ringen. Beides spielt heute in der Predigt kaum eine Rolle. Die Wiederkunft von Jesus sowie die ewige Dimension unseres Lebens kommt nicht zur Sprache. Wenn das ausgeblendet wird, ist es verständlich, dass es den meisten Predigern kein Anliegen ist, um verlorene Menschen zu ringen. Damit verfehlt die Kirche ihren eigentlichen Auftrag. Eickhoff veranlasst das zu der Bemerkung, dass die Kirche zwar redet, Gott aber schweigt.

3. Unterhaltung statt Anleitung. Das Wort Gottes zielt darauf, angewandt zu werden. Die Apostel sollten nicht nur lehren, sondern sie sollten „lehren, zu tun“. Deshalb ist die Predigt nicht nur Information oder Unterhaltung, sondern eine Handlungsanweisung für das Leben nach der Predigt. Das aber fehlt. Eickhoffs Kritik zielt an dieser Stelle nicht auf die Gemeinde, sondern auf den Prediger, der eigentlich gar nicht erwartet, dass die Gemeinde reagiert. „Es ist, als gäbe es zwischen Prediger und Gemeinde eine heimliche Absprache: ‚Ich predige, aber ihr dürft euch nichts dabei denken.’

Die Seiten mit dem stärksten Gewicht sind die im ersten Drittel, in dem er die Predigt-Wirklichkeit beschreibt. Es ist trefflich ausgedrückt, was die Kirche predigen sollte und was sie predigt. Es finden sich brillante Sätze dabei, Merksätze für eine Sammlung. Vielleicht ist er in seiner Kritik gelegentlich zu pauschal, aber auf die Mehrzahl der hierzulande gehaltenen Predigten trifft seine Kritik sicher zu.

Im zweiten Hauptteil des Buches wird der biblische Befund entfaltet mit einer starken Betonung des Sendungsauftrags: „Senden, um zu retten – die Leidenschaft der Trinität“.

Im letzten Teil schließlich geht es um Folgerungen für den Predigtdienst. In diesem Abschnitt finden sich wichtige Kapitel, die man nicht unbedingt aus der Feder eines evangelischen Pfarrers erwarten würde, wie etwa dieses: „Schluss mit der Gaben vernichtenden Pastorenfalle“.

Wenn man an dem Buch etwas bemängeln kann, dann sind es diese beiden Beobachtungen, von denen die erste eher formaler, die zweite inhaltlicher Natur ist:

1. Die Gliederung des Buches ist zwar klar, aber die Zuordnung der Inhalte zu den jeweiligen Überschriften könnte besser sein. Bestimmte Themen kommen unter verschiedenen Gliederungspunkten vor. Da hätte man sich eine strengere Ordnung des Textes wünschen können.

2. Bei der Ursachenforschung der Predigtkrise benennt Eickhoff m.E. eine wesentliche Ursache nicht oder zumindest nicht klar genug. Er schreibt an einer Stelle: „Die Predigtkrise unserer Kirche ist eine Theologenkrise. Theologen sind es, denen die Predigt von der Rechtfertigung nicht gelingt.“ Das ist wahr, aber doch zu verhüllend ausgedrückt. Es sind nicht ein paar überforderte Theologen, die für die Predigtkrise verantwortlich sind. Es ist eher die Theologie, die sie in vielen Semestern verinnerlicht haben und die dafür sorgt, dass sie selbst den Texten misstrauen, aus denen sie als Prediger ihre Botschaft und die Predigt ihre Kraft beziehen sollte. Wer nicht an die Auferstehung von Jesus aus den Toten glaubt, kann bei einer Osterpredigt den Text nur irgendwie horizontal auslegen – mit den im Buchtitel beschriebenen Ergebnis: Harmlos, kraftlos, ziellos.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Andreas Ebert
 Kategorie: Gemeinde, Gottesdienst, Leitung

  Verlag: SCM R. Brockhaus
  Jahr: 2009
  ISBN: 978-3-417-26281-0
  Seiten: 464
 €    Preis: 29,95 Euro

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