Grenzenlos arbeiten?
Autor: Reinhard Haupt, Werner Lachmann, Stephan Schmitz
Der Untertitel macht deutlich, was die Verfasser mit diesem Buch beabsichtigen: Die menschliche Arbeitszeit soll im Licht christlicher Ethik beleuchtet werden. Angesichts der Beobachtung, dass bis vor Kurzem noch allgemein akzeptierte, ja so gar tariflich vereinbarte Grenzen der Arbeitszeit überschritten werden, sei es von Arbeitgebern, sei es von Arbeitnehmern, setzen sich die Schreiber in sechs Artikeln mit den Grenzen, bzw. dem Überschreiten solcher Grenzen bei der Tages-, der Wochen und der Lebensarbeitszeit auseinander. Im Blick auf die Tagesarbeitszeit werden dem Leser verschiedene Arbeitszeitmodelle vorgestellt (Gleitzeit-, Teilzeit-, Schichtarbeit, Job-Sharing u.a.) und in ihrem Für und Wider be wertet. Der ausführlichste Artikel beschäftigt sich mit den Grenzen der Wochenarbeitszeit. Hier werden wesentliche Aspekte der neueren Diskussion rund um die Sonntagsarbeit vor gestellt. Die Verfasser referieren die gesetzlichen Grundlagen der Sonntagsarbeit in Deutschland, vergleichen die Ausdehnung der Sonntagsarbeit in unserem Land mit derjenigen in anderen Ländern der EU und konfrontieren sich relativ ausführlich mit der Frage, ob die Sonntagsarbeit aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich sei (S. 39ff). Überzeugend zeigen sie auf, dass für die Verwischung der Grenzen zwischen Alltag und Sonntag (Ausdehnung bzw. generelle Freigabe der sonntäglichen Ladenöffnungszeiten) keineswegs ökonomische Gründe sprechen, sondern dass dafür der sich ausbreitende Individualismus verantwortlich ist. Nachdem zu Fragen des persönlichen Zeitmanagements (Gefahr der Zeitvergeudung) wie auch auf das Problem der Arbeitssucht (workaholic) ein gegangen wird, wird der Leser im letzten Artikel auch auf Grenzerfahrungen bei der Lebensarbeitszeit aufmerksam gemacht. Es wer den vorsichtig Hilfen zur Verarbeitung von Situationen wie Kündigung, Altersteilzeitarbeit und Pensionierung an geboten. Die in diesem Buch gebündelten Artikel – sie gehen auf Vorträge zurück, die auf einer von der Studiengemeinschaft Wort & Wissen so wie von der Gesellschaft zur Förderung von Wirtschaftswissenschaften und Ethik e.V. verantworteten Wirtschaftsfachtagung gehalten wurden – bieten außerordentlich viel und sehr komprimiert vorgetragene Informationen. Die ökonomische Kompetenz der Verfasser (siehe die biographischen Daten auf S. 153-155) wird überall deutlich. Kritische Anfragen hat der Rezensent lediglich zu einigen vorgetragenen Weisen der Bibelauslegung. Dazu nur ein Beispiel: Wenn Nathanael als ein Mann gedeutet wird, der „verbittert“ und „negativistisch“ war und „von Christus trotz der Bitterkeit ganz besonders aufgewertet wird“ (S. 104), entspricht eine derartige Interpretation einer heute in evangelikalen Kreisen verbreiteten Verpsychologisierung des Wortes Gottes unter dem Aspekt der Lebenshilfe. Es hat aber nur sehr peripher etwas mit dem zu tun, was uns im ersten Kapitel des Johannesevangeliums berichtet wird. Das, was theologisch zum Sonntag bzw. zur Sonntagsheiligung ausgeführt wird, ist brauchbar (S. 56-62), wenn auch sicher ergänzungsfähig. Schade, dass als Konsequenz für die Sonntagsruhe lediglich „Handlungsempfehlungen“ (S. 63) gegeben wer den. Warum so vorsichtig? Sollten Christen hier nicht deutlicher auftreten? Alles in allem ist das Buch jedoch lesenswert.
Die Rezension/Kritik stammt von: Jürgen-Burkhard Klautke
Kategorie: Sonstiges