Gescheiterte Flucht
Autor: Michael Meinert
Schlesien, Mitte des 19. Jahrhunderts: Das ruhige Leben von Oberförster Albert Grüning ist jäh beendet, als ein Wilddieb den Schneeberger Forst unsicher macht. Das Forstwirtschaftsministerium macht Druck: er soll den Wilddieb schnellstens dingfest machen, sonst droht ihm die Kündigung. Plötzlich taucht auch noch die hübsche Rahel von Bredow auf, die einige Sommerwochen im Dorf unten verbringt. Während einer ihrer ausschweifenden Spaziergänge begegnet sie dem einsamen Sonderling aus dem Hochwald, der an chronischer Übellaunigkeit leidet. Doch Rahel lässt sich von Grünings Knurrigkeit nicht beeindrucken und erkennt, dass dieser eine Last mit sich herum trägt, die ihm zu schaffen macht. Während die Vergangenheit dem Oberförster immer mehr Aufmerksamkeit abverlangt bemerkt er gar nicht, dass er immer mehr ins Visier des Wilddiebes gerät… Es hat ein paar Seiten gedauert, bis ich mit dem schlecht gelaunten Albert Grüning „warm“ wurde. Seine kurzen, abgehackten Sätze, die sehr befehlsmäßig und nach Oberfeldwebel klingen, erinnerten mich an Filme aus den Fünfzigern. Doch der Prolog war schon so spannend und warf Fragen auf, dass ich direkt weiter lesen musste. Was geschah mit Grüning, dass er so ein Miesepeter wurde? Die Wahrheit lässt er sich nicht gern entlocken – auch von Rahel nicht – und so bleibt die Spannung bis zu den letzten Seiten erhalten. Dafür sorgen u.a. Perspektivwechsel, die den Wilddieb mit einschließen. Dadurch ist man dem Förster als Leser immer eine Spur voraus und fragt sich, wie lange es noch dauert, bis er dem Kerl auf die Schliche kommt. Die unterschiedlichen Charaktere wurden alle sehr fein ausgearbeitet und mir wuchsen fast alle Romanfiguren ans Herz – ja, auch der eine oder andere „Fiesling“! Besonders Rahel und Grünings Freund Franz Marwitz, die den Förster immer wieder daran erinnern, dass seine Last bei Gott in Guten Händen ist. Das Thema „Vergebung“ spielt eine große Rolle in diesem Roman und ist sehr deutlich in die Handlung eingearbeitet worden. Nicht viele Romane haben eine so klare Botschaft! Sprache und Wortschatz sind der damaligen Zeit angepasst, was mir an historischen Romanen immer besonders gut gefällt, weil die Handlung dadurch authentischer wirkt. Nebenbei erfährt man auch einiges über das Leben und die Arbeit eines Försters. Als Fan von sehr gut recherchierten und authentischen historischen Romanen habe ich einen neuen, talentierten Autor für mich entdeckt: Michael Meinert! „Gescheiterte Flucht“ ist m.E. auch ein Tipp für Fans von Elisabeth Büchle.
Die Rezension/Kritik stammt von: Susanne Degenhardt
Kategorie: Romane, Thriller