Buch-Rezension: Fabricating Jesus - How Modern Scholars Distort the Gospels

Fabricating Jesus

Autor:

Der vorliegende Band des führenden evangelikalen kanadischen Neutestamentlers Evans (vgl. http://www.craigaevans.com) bietet eine hervorragende Darstellung und Kritik der neuesten Jesus-Forschung. Teilweise bleibt diese mit ihren Ergebnissen und Rekonstruktionen auf den wissenschaftlichen Bereich beschränkt, andere Thesen dieses in vielem massiv bibel- und kirchenkritischen Unterfangens, werden durch die Medien popularisiert und stoßen selbst bei vielen säkularen Menschen auf Interesse.

Evans beginnt nach der Einführung (u.a. mit einem autobiographischen Rückblick) mit einer Analyse der älteren und neueren skeptischen Ansätze in Nordamerika (19-33). Sie stehen im Mittelpunkt seiner Auseinandersetzung („Fabricating Jesus is a book that takes a hard look at some of the sloppy and misguided theories that have been advanced in recent years“, 14). Dann geht es um den Umgang mit der Echtheit der Jesusüberlieferung und die jeweils angewandten Echtheitskriterien (34-51). Dabei widerlegt Evans auch die Thesen, dass Jesus Analphabet gewesen sei, sich weder für die Schriften Israels noch Eschatologie interessiert habe und sich selbst nicht für den Messias oder für göttlich gehalten habe.

Zwei weitere Kapitel untersuchen die Bedeutung des Thomasevangeliums (52-77, u. a. mit einem Überblick über außerkanonische Evangelien und deren Datierung sowie über die Kriterien zur Datierung) sowie anderer apokrypher Evangelien (78-99; Petrus, Maria, das sog. „Geheime Markusevangelium“ und der Papyrus Egerton) für die Rekonstruktion des historischen Jesus und der frühen Christenheit sowie für die Bibelwissenschaften. Das Thomasevangelium stammt aus dem späten 2. Jh. und bietet keinerlei unabhängiges Material, das irgendetwas zum Verständnis von Jesus beitragen könnte („Reliance on this writing can only lead to a distorted portrait of the historical Jesus“, 77). Dies gilt auch für die anderen besprochenen Werke. Evans beobachtet zu Recht: „In marked contrast to the hypercritical approach many scholars take to the canonical Gospels, several scholars are surprisingly uncritical in their approach to the extracanonical Gospels“ (98).

In einem weiteren Kapitel setzt sich Evans mit der These auseinander, die Jesus in Analogie zu antiken kynischen Philosophen verstehen will (100-22; es gibt keine Hinweise auf Kyniker im Palästina des 1. Jh. n. Chr.). Dann geht es um das kritische Vorgehen, Aussprüche von Jesus aus ihrem Erzählzusammenhang in den Evangelien (den man für künstlich, sekundär oder irreführend hält) herauszulösen und unabhängig davon zu interpretieren. Aus diesen dann „freischwe- benden“ Aussagen werden im Handumdrehen neue Jesusbilder fabriziert. Ferner untersucht Evans, wie mit den Heilungen und anderen Wundern von Jesus verfahren wird (139-57), und hält dem entgegen, dass Jesus als Heiler und Exorzist gewirkt hat. Diese Machttaten erklären in gewichtiger Weise die Bedeutung seiner Verkündigung der Herrschaft Gottes und seiner eigenen Person (157). Weiter thematisiert Evans den oft zweifelhaften Gebrauch des jüdischen Schriftstellers Flavius Josephus (158-79). Auch die in den vergangenen Jahren wiederholt beschworenen Thesen der beinahe grenzenlosen theologischen Vielfalt in der frühen Kirche und Bedeutung der vielen sog. „untergegangenen“ Christentümer (häretische Strömungen, die von der Großkirche zu Recht verdrängt wurden) werden untersucht und zurückgewiesen (180-203, mit guten Überlegungen zu Einheit und Vielfalt im Urchristentum).

Abschließend zeichnet Evans unter folgenden Stichworten knapp nach, was man von Jesus zuverlässig wissen kann: Jesus und das Judentum seiner Zeit, sein Selbstanspruch und seine Ziele, der Tod von Jesus, die Urgemeinde, die Evangelien und die Erinnerung, dass die Geschichte der Ursprünge des Christentums eine jüdische Geschichte ist. Er schreibt: „Die wahre Geschichte des historischen Jesus ist spannend und inspirierend. Sie mag alt sein, aber sie ist viel überzeugender als die neueren, radikalen, minimalistischen, revisionistischen, obskuranten und modisch verbrämten Versionen der Jesus Geschichte, die in den vergangenen Jahren auf den Markt kamen“ (235). Der Band endet mit einem Anhang zu den sog. Agrapha (nicht in den Evangelien erscheinende Einzelaussprüche von Jesus ohne Erzählzusammenhang) und zu dem viel diskutierten Judasevangelium (240-45) sowie einem Glossar, Anmerkungen, Literaturhinweisen (272f) und verschiedenen Registern.

Evans gelingt ein instruktiver Überblick über die derzeitige nordamerikanische Jesusforschung. Er zeigt dabei neben deren Ergebnissen auch die Prämissen und frappanten Fehlurteile gekonnt auf und setzt dem allgemeinverständlich und schlüssig die Tatsachen entgegen. Der Band ist eine hervorragende Anlayse und Verteidigung des Jesus der kanonischen Evangelien und des christlichen Glaubens. Durchweg zeigt es sich, dass evangelikale Leser der Bibel für ihr Verständnis von Jesus auch viele gute historische Gründe haben (neben ihrer Glaubensbereitschaft) und die Auseinandersetzung mit alten und neuen Kritikern nicht zu scheuen brauchen. Hier müssen wir als Deutsche lernen und die Kompetenz erwerben, die Auseinandersetzung mit der hiesigen Diskussion zu führen.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Christoph Stenschke
 Kategorie: Sonstiges

  Verlag: Inter-Varsity Press
  Jahr: 2007
  ISBN: 978-1-84474-172-4
  Seiten: 290
 €    Preis: 13,35 Euro