Essen zum Gedächtnis
Autor: Dorothea Wendebourg
Es gibt heutzutage nicht wenige Christen, die, wenn sie bereits das Wort „Sakrament“ hören, abwinken: Der Begriff komme nicht in der Bibel vor und überhaupt: er klinge römisch-katholisch. Richtig an dieser Aussage ist, dass man im römischen Katholizismus auch von Sakramenten spricht. (Man zählt dort übrigens sieben.) Jeder, der seine Bibel kennt, weiß, dass das Brechen des Brotes und das Trinken des Weines, das die Gemeinschaft mit dem Leib und dem Blut Christi ist (1Kor. 10,16), nicht eine Wiederholung des Sühnopfers Christi meint. Dies war eine der bahnbrechenden Einsichten der Reformatoren. Wenn heute in nicht wenigen deutschsprachigen Ausgaben des Heidelberger Katechismus die Frage 80 weggelassen wird oder allenfalls noch im Fußnotenapparat auftaucht, liegt das daran, dass man den römischen Katholizismus aus „ökumenischen“ Überlegungen nicht vor den Kopf stoßen möchte. Aber, was im Heidelberger Katechismus zu dem Unterschied zwischen dem „Abendmahl“ und der „päpstliche Messe“ gesagt ist, entspricht nach wie vor der Heiligen Schrift: „Das Abendmahl bezeugt uns, dass wir vollkommene Vergebung aller unserer Sünden haben durch das einmalige Opfer Jesu Christi, das er [Christus] selbst einmal am Kreuz vollbracht hat, und dass wir durch den Heiligen Geist in Christus eingeleibt werden. Christus ist jetzt mit seinem wahren Leib im Himmel zur Rechten des Vaters, und er will daselbst angebetet werden. Die Messe aber lehrt, dass die Lebendigen und die Toten nicht durch das Leiden Christi Vergebung der Sünden haben, es sei denn, dass Christus noch täglich für sie von den Messpriestern geopfert werde und dass Christus leiblich unter der Gestalt des Brotes und Weines sei und deswegen darin angebetet werden soll. Somit ist die Messe im Grunde nichts anderes als eine Verleugnung des einzigen Opfers und Leidens Jesu Christi und eine verfluchte Abgötterei.“ Trotz dieses klaren Urteils über die „verfluchte Abgötterei“ des Messopfers, das selbstverständlich von vornherein jedes Einvernehmen („Konkordie“) mit der römisch-katholischen Doktrin ausschließt, sahen die Reformatoren keinen Grund, auf den Begriff „Sakrament“ als Oberbegriff für Taufe und Abendmahl zu verzichten. Tatsächlich kommt das Wort „Sakrament“ keineswegs erst im Mittelalter vor, sondern bereits bei den Kirchenvätern. Auf die Frage, was das Sakrament des Abendmahls genau ist, gab es zwischen den Reformatoren durchaus unterschiedliche Auffassungen und Deutungen. Man denke an das berühmte Marburger Religionsgespräch (Oktober 1529). Von Luther selbst erhalten wir im Laufe seines Lebens unterschiedliche Auskünfte. Aber in einem waren sie sich alle einig: Alle lehrten mit der Heiligen Schrift, dass das Abendmahl ein „Mahl zum Gedächtnis“ ist. (siehe Lk. 22,19-20; 1Kor. 11,23-26). In ihrer mit großer Detailkenntnis erarbeiteten historischen Studie, zeichnet Prof. Wendebourg – Inhaberin eines Lehrstuhls für Reformationsgeschichte an der Berliner Humboldt-Universität - nach, was die Reformatoren darunter verstanden und welche Akzente sie dabei jeweils setzten. Nach einem Überblick über die Auffassungen, die über das Abendmahl als Gedächtnismahl im Spätmittelalter auftraten, und einer Skizzierung, wie dieser Ausdruck von dem Humanisten Erasmus von Rotterdam gedeutet wurde, wird zu dieser Thematik die Auffassung von Martin Luther sowie die von dessen Gegenspieler Andreas Bodenstein von Karlstadt nachgezeichnet. Ausführlich kommen auch die Positionen Melanchthons sowie diejenigen der Schweizer Reformatoren Zwingli und Oekolampad zur Sprache. Sowohl die Übereinstimmungen als auch die Unterschiede werden fein herausgearbeitet. Das Buch eignet sich nicht für eine schnelle Lektüre. Im Grunde wird sogar die Kenntnis der lateinischen Sprache vorausgesetzt. Insofern ist nicht nur der Preis des Buches anspruchsvoll (79,– €). Aber wer sich die Mühe macht, sich durch dieses Buch hindurchzuarbeiten, wird es nicht ohne Gewinn weglegen. Vielmehr wird er veranlasst sein, noch einmal genau zu lesen, was die Heilige Schrift zum Abendmahl sagt und was sie eben nicht sagt. Aus: Bekennende Kirche, Nr. 49, S. 41. Siehe http://bekennende-kirche.de
Die Rezension/Kritik stammt von: Jürgen-Burkhard Klautke
Kategorie: Geschichte, Kirchengeschichte