Buch-Rezension: Emmaus in Judäa - Geschichte - Exegese - Archäologie

Emmaus in Judäa

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Am gleichen Tag gingen zwei von den Jüngern nach dem Dorf Emmaus, das 60 Stadien (elf Ki ometer) von Jerusalem entfernt liegt. Wo liegt dieses Dorf? Die Herausgeber stellen dreizehn Aufsätze zu dieser Frage in einem 300-seitigen Buch zusammen. Eingeleitet und zusammengefasst von Rainer Riesner.

Den Anfang macht eine Untersuchung von F. Sedlmeier über das im ersten Makkabäerbuch er wähnte Emmaus. Er kommt zu dem Schluss, dass dieses von Bakchides zur Festung ausgebaute Emmaus in der Schefela gelegen haben muss, dem niedrigen Hügelland westlich von Jerusalem. R. Deines untersucht Emmaus in der jüdischen Tradition, speziell der rabbinischen Überlieferung. Diese Tradition kannte über fünf Jahrhunderte offenbar nur ein Emmaus, das seit dem ersten vorchristlichen Jahrhundert der wichtigste jüdische Ort im Westen Judäas gewesen sei, zeitweilig sogar Synedriumssitz. Er identifiziert es mit Nikopolis in der Schefela.

K.-H. Fleckstein untersucht anschließend dieses Emmaus in christlichen und arabischen Quellen. Er kommt zu dem Schluss, dass man mit Eusebius, Sozoemnos und anderen die Stadt als das biblische Emmaus ansehen sollte, die auf Betreiben des Julius Africanus den Namen Nicopolis erhalten hatte. Arabische Autoren bestätigen das letztlich, denn nach ihrer Eroberung trug der Ort den Namen Amwas = Emmaus. Erst nach der Kreuzfahrerzeit weist die christliche Tradition auf das heutige Abu Gosh.

V. Michel untersucht die christlichen Identifizierungsversuche von Emmaus. Insgesamt neun Orte werden mit dem biblischen Emmaus identifiziert. Um nun das Problem der 60 Stadien zu lösen, versucht er mit Hilfe der syrischen Übersetzung zu beweisen, dass Lukas nicht die Entfernung von Jerusalem nach Emmaus meine, sondern die Strecke, die die Jünger bereits zurückgelegt hätten, als der Herr Ihnen begegnete. Damit kann er Nikopolis/Amwas als Emmaus annehmen.

Rainer Riesner untersucht die ganze Emmaus-Perikope gründlich nach literarischen und theologischen Gesichtspunkten. Er spricht sich für eine Identifizierung mit dem 23 km westlich von Jerusalem gelegenen Nikopolis/Amwas aus und setzt sich auch mit den Haupteinwänden dagegen auseinander. „1) Lukas habe dann nicht von einem ‚Dorf’ 2) ‚sechzig Sta dien von Jerusalem’ sprechen und 3) eine Hin- und Rückwanderung am selben Tag annehmen können“ (S. 190). Zum Dorf macht er geltend, dass Varus 4 v. Chr. Emmaus völlig zerstört habe und es überhaupt nicht sicher ist, wie weit es 30 n.Chr. schon wieder aufgebaut war. Außerdem besaß es sowieso keine Stadtrechte und konnte deshalb wie z.B. auch Lydda als Dorf bezeichnet werden. Zu den sechzig Stadien stellt Riesner eine textkritische Untersuchung an und kommt zu dem Schluss, dass „sechzig“ als die ältere und besser bezeugte Lesart anzusehen ist, auch wenn „‚hundertsechzig’ nicht völlig als ursprünglicher Text ausgeschlossen“ werden kann (S. 196). Dass die Entfernung nach Nikopolis/Amwas 146 Stadien beträgt, läge im „Rahmen antiker Entfernungsschätzungen“ (S. 199), falls 160 Stadien doch die ursprüngliche Lesart wäre. Mit den 60 Stadien lässt sich dieses Emmaus/Nikopolis nicht wirklich vereinbaren. Riesner schließt sich Dalmann an: „Es wird also am sichersten sein, der Tradition zu folgen und von der Entfernungsangabe bei Lukas abzusehen.“ (S. 200; 313). Trotzdem würden nach Riesner die meisten Argumente für dieses Emmaus sprechen. Auch solch eine Strecke von 27 km an einem Tag zweimal zu bewältigen, wäre als außerordentliche Tagesleistung denkbar. Es wäre auch zu erwägen, ob sich die bei den Emmaus-Jünger für die Rückkehr nach Jerusalem nicht eines Reittier bedienten (S. 199).

Der Student E. Junkkaala beschreibt anschließend, wie er die Strecke von Amwas aus in fünf Stunden Jogging bewältigt hatte. Es wäre jedenfalls kein unüberwindliches Problem, noch am Abend Jerusalem zu erreichen. Das letzte Drittel des Buches besteht aus verschiedenen Berichten von älteren und neueren archäologischen Untersuchungen und Einzelfunden in und um Emmaus/Nikopolis, die aber zu der Ausgangsfrage nichts Neues beitragen. Letztlich gibt es bis heute keine überzeugende Lösung für das 60-Stadien-Problem. Auch C.P. Thiede in seinem Buch Jesus. Der Glaube. Die Fakten. (Augsburg 2003), der dieser Frage ein Kapitel widmet, bietet keine überzeugende Lösung an. Er wendet sich vehement gegen die Identifizierung von Emmaus mit Nikopolis/Amwas, vor allem wegen der Entfernung, die er allerdings mit 176 Stadien (= 32,6 km) angibt. Statt dessen bevorzugt er die Identifizierung mit Colonia-Moza, das zwar zur Zeit des NT auch Emmaus hieß, allerdings nur 44 Stadien von Jerusalem entfernt liegt. Er hilft sich damit, dass Lukas „nach antikem Erzählgestus“ Hin- und Rück weg zu sammengenommen hätte. Aber auch so wäre das Entfernungsproblem nicht gelöst.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Karl-Heinz Vanheiden
 Kategorie: Sonstiges

  Verlag: Brunnen Verlag GmbH
  Jahr: 2003
  ISBN: 3-7655-9811-9
  Seiten: 336
 €    Preis: 9,95 Euro