Buch-Rezension: Eine Bibel - viele Übersetzungen - Ein Überblick mit Hilfen zur Beurteilung

Eine Bibel - viele Übersetzungen

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Über das Erscheinen dieses gelungenen Bändchens habe ich mich gefreut. Es sei jedem empfohlen, der von der Vielfalt des Bibelausgabenangebots verunsichert ist und für diesen Bereich eine zuverlässige wie gut verständliche (wenn auch relativ knappe) Orientierungshilfe sucht. Die Vorankündigung dieses Titels von Dr. Kassühlke im vergangenen Jahr ließ erwarten, dass wir zu diesem wichtigen Thema bald einen fachmännischen Leitfaden in die Hand bekommen würden, der gleichzeitig für Nichtspezialisten leicht zu verstehen ist, war Dr. Kassühlke doch für das Verfassen einer solchen Schrift geradezu prädestiniert: Nach rund 10 Jahren Wirksamkeit als Missionar, Bibelschullehrer und Bibelübersetzer in Kamerun war er 22 Jahre lang in verschiedenen europäischen Ländern als Übersetzungsberater der Deutschen Bibelgesellschaft sowie des Weltbundes der Bibelgesellschaften tätig. Insbesondere ist er einer der drei Übersetzer der meines Erachtens fachlich hervorragenden Gute Nachricht Bibel. Und unsere Erwartungen sind nicht enttäuscht worden.

Entstanden ist zwar kein erschöpfendes, doch ein angemessen detailliertes, fachlich solides, »benutzerfreundliches« (für einfachere Bibelleser gedachtes) kleines Werk.

Es besteht aus sieben Teilen:

  1. Verwirrende Vielfalt,
  2. Was ist übersetzen?
  3. Verschiedene Übersetzungsmethoden,
  4. Übersetzungstypen,
  5. Charakterisierung gängiger deutscher Bibelübersetzungen (in alphabetischer Reihenfolge),
  6. Arbeits- und Studienbibeln,
  7. Computerbibeln.

Die Teile II-IV enthalten eine vorzügliche Popularisierung der wichtigsten Erkenntnisse der heutigen Übersetzungswissenschaft.

Kernstück des Ganzen bildet Teil V. Hier werden zwanzig in der heutigen Zeit verbreitete deutsche Bibelübersetzungen auf anschauliche und bewundernswert objektive Weise vorgestellt: Albrecht, Bruns, Buber, DaBhaR, Einheitsübersetzung, Elberfelder, Gute Nachricht Bibel, Hoffnung für Alle, Interlinearversion, Konkordante Übersetzung, Luther 1984, Menge, Mülheimer, Neue Genfer, Neue Welt, Pattloch, Schlachter, Stern, Zink und Zürcher. Zu jeder Übersetzung werden zunächst ausführliche bibliographische Angaben in Kleindruck geboten. Darauf wird (in Normaldruck) die Übersetzung in einigen Sätzen oder Abschnitten kurz charakterisiert. Hier erfährt man, auf welchem Grundtext sie fußt, welchem Übersetzungstyp sie zuzuordnen ist und für welche Zielgruppe sie geschaffen wurde. Auf weitere Charakteristika wie Stileigentümlichkeiten, graphische Gestaltung, Überschriften, Parallelstellen o.ä. wird ebenfalls häufiger hingewiesen. Vor allem aber werden zu jeder Übersetzung recht ausgedehnte Textauszüge aus verschiedenen Teilen der Bibel abgedruckt. Da es sich in der Regel (nicht alle Übersetzungen decken beide Testamente vollständig ab) um dieselben Textpassagen handelt, kann sich der Leser durch selbstständige Textvergleiche ein recht gutes Bild von der Eigenart der jeweils besprochenen Übersetzung machen.

Wesentlich kürzer sind Teile VI und VII. Während in Teil VI neun bekanntere Arbeits- und Studienbibeln u.a. wiederum mit Textauszügen kurz vorgestellt werden, kommt in Teil VII das Allerwichtigste aus der Welt der Computerbibeln zur Sprache. Stets sind auch hier Nichteingeweihte anvisiert, was sich selbstverständlich auf Informationsdichte und Sprachstil des Bändchens auswirkt. Sicher hätten sich manche an verschiedenen Stellen vor allem des Hauptteils noch weitergehendere bzw. präzisere Informationen gewünscht (so ist die Neue Genfer Übersetzung nicht - auf jeden Fall nicht in erster Linie - für Leser mit kirchlichem Hintergrund, sondern speziell für Menschen ohne christlichen Hintergrund gedacht). Doch auf engem Raum war es dem Autor kaum möglich, eine so umfangreiche Thematik erschöpfender zu behandeln.

Ich persönlich finde es allerdings schade, dass Dr. Kassühlke uns nicht deutlicher sagt, wie denn die verschiedenen Übersetzungen aus fachlicher Sicht zu beurteilen seien. Er hat sich offenbar für ein weitgehend beschreibendes Vorgehen entschlossen und überlässt die Beurteilung dem Leser aufgrund der im Buch gebotenen sachlichen Hinweise. Nach meinem Dafürhalten wären aber zahllose Leser für ergiebigere Beurteilungshilfen dankbar gewesen, z.B. für den Umgang mit ungewöhnlicheren Übersetzungen wie der DhaBhar-Übersetzung.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Heinrich von Siebenthal
 Kategorie: Bibeln, Studienbibel, Bibelstudium

  Verlag: SCM R. Brockhaus
  Jahr: 1998
  ISBN: 3-417-20560-3
  Seiten: 160
 €    Preis: 7,90 Euro