Die Frau schweige?
Autor: John Ortberg
Ulrich Eggers, der das Vorwort schreibt, beginnt mit der Beteuerung seiner eigenen Bibeltreue und fragt dann, ob die Beschränkung des Dienstes der Frau in der Gemeinde auf Frauen- und Kinderarbeit „nicht eher eine Form von unverwusstem Rassismus als wirklicher Bibeltreue“ sei. (S. 7) Der Verfasser selbst wird als Pastor und Psychologe vorgestellt. Und tatsächlich baut er seine Argumentation mit großem psychologischem Geschick auf. Er sei nach sorgfältigem Bibelstudium zu der Einsicht gekommen, dass Menschen in der Gemeinde „aufgrund ihrer Gaben und nicht aufgrund ihres Geschlechts einen bestimmten Dienst ausüben sollten“ (S.11). Diese Grundthese wird im Buch mehrfach wiederholt. Dann verbindet er das Problem der Unterdrückung der Frau mit der Rechtfertigung der Sklaverei durch Christen. Er behauptet, die Christen hätten schließlich gelernt, dass es darauf ankäme, welch grundlegende Richtung die Bibel einschlage und was ihre vorherrschenden Aussagen seien, und hätten sich aufgrund dieser Einsicht gegen die Sklaverei gestellt. Eines seiner Hauptargumente ist die Mehrheit der Bibelstellen, die angeblich gegen einzelne Aussagen des Neuen Testaments sprechen würden. Den Beweis dafür bleibt er regelmäßig schuldig, abgesehen von der äußerst fragwürdigen Hermeneutik. Man kann doch nicht einfach biblische Aussagen gegen ihren heilsgeschichtlichen Zusammenhang einfach zusammenzählen. Ortberg spottet über das Argument, dass Gott doch den Mann zuerst geschaffen habe und er deshalb der Frau vorgeordnet sei (S. 20). Er vergisst aber, dass Paulus genau dieses Argument verwendet (1Tim 2,13). Dann erwähnt er drei Frauen aus dem Alten Testament, die Gott prophetisch begabt hatte (Mirjam, Hulda, Debora) und schließt daraus, dass Gott selbstverständlich Frauen in Führungsverantwortung gestellt hat (Wie war das gleich bei Mirjam?) und schließt: „Wieso sollte Gott sich nicht an seine eigenen Regeln halten – wenn es sie denn gäbe?“ (S. 26) Mit psychologischer Raffinesse schildert Ortberg im zweiten Kapitel die Schwierigkeit, den Römerbrief zu verstehen und füllt dann mit viel Fantasie das aus, was weder Schrift noch Zeitgeschichte sagen, nämlich dass die Diakonin Phöbe den Römern diesen schwierigen Brief natürlich erklärt hätte. Wenn Paulus das wirklich gewollt hätte, dann hätte er die Leser noch viel gründlicher darauf vorbereiten müssen, wie er das in Bezug auf Timotheus (1Kor 4,17; 16,10) tat. Natürlich darf auch die Geschichte mit der angeblichen Apostolin Junia nicht fehlen (Rö 16,7) S. 39. Aber die auf S. 39 zitierte Übersetzung sagt gerade nicht, dass die genannten zwei Personen Apostel seien, sondern dass sie hohes Ansehen bei den Aposteln genießen. Im dritten Kapitel geht Ortberg dann auf die für seine Sicht problematischen Schriftstellen ein und versucht, sie zu entkräften. 1Kor 11,2-16 behauptet Ortberg, dass es hier bei nur um konkrete Anweisungen für Korinth ginge und entkräftet die Aussagen über die Kopfbedeckung und langes Haar mit der Priestermütze im Alten Testament und mit Simson. Dass auch die Frau bei öffentlichen Veranstaltungen beten und weissagen soll, nimmt er aber als universal an. Man hat den Eindruck, er sucht sich das heraus, was er braucht. Zu 1Kor 14,34+35 nennt der Verfasser mehrere Erklärungsversuche, entscheidet sich dann aber für eine „konkrete Situation ... keine universelle“ (S. 51) und das, obwohl Paulus hier ganz deutlich universelle Aussagen macht, vgl. V. 33.37f. 1Tim 2,8-15 stellt er seine Informationen über die damalige Zeitgeschichte über die Aussagen der Bibel und versucht auch den Hinweis auf den Schöpfungsbericht dadurch zu entkräften, dass er behauptet, Paulus würde den Schöpfungsbericht sehr flexibel handhaben und den Rat, den er im 1. Timotheusbrief gegeben habe, trotz des Schöpfungsberichts außer Kraft setzen (S. 61). Eine Information beim Hänssler-Verlag ergab, dass das Büchlein kurz nach der Übernahme des Verlages durch ICMedienhaus entstand und offenbar einen neuen Trend des Verlages dokumentieren sollte. Ein Beleg für die mangelnde Sorgfalt der damaligen Verlagsmitarbeiter sind die fürchterlich falsch geschriebenen griechischen Begriffe (S. 38.44.58). Ich habe mehrmals bis zu drei Fehlern in einem einzigen Wort gezählt. Man kann nur hoffen, dass dieses Taschenbuch keine große Verbreitung findet, denn es würde dem Volk Gottes sehr schaden und alle die ermutigen, die geneigt sind, ihr Bibeltreue durch den Zeitgeist zu ersetzen.
Die Rezension/Kritik stammt von: Karl-Heinz Vanheiden
Kategorie: Gemeinde, Gottesdienst, Leitung