Buch-Rezension: Die Frau in der Gemeinde

Die Frau in der Gemeinde

Autor:

Alfred Kuen, französischer Bibellehrer und Autor des bekannten Titels "Gemeinde nach Gottes Bauplan", begibt sich mit seinem Alterswerk auf ein zugegebenermaßen "heißes Pflaster". Jeder, der es heute wagt, sich zu diesem Thema zu äußern, macht sich angreifbar, denn die einen erwarten, daß die biblischen Aussagen möglichst weit an den Zeitgeist angepaßt und die anderen, daß traditionelle Sichten keinesfalls in Frage gestellt werden.

Der Autor erklärt zu Beginn seine Vorgehensweise: Er will zunächst prüfen, welchen Platz die Frau im Alten Testament, in der Welt des 1. Jahrhunderts, in den Evangelien und in der Urkirche hatte, um sich dann mit den vier Textstellen auseinanderzusetzen, die kontrovers diskutiert werden, um "daraus die für alle Zeiten gültigen Prinzipien freizulegen" (S. 19). Er ist sich dabei bewußt, daß selbst eine so wichtige Grundregel der Auslegung, nämlich unverständliche Texte im Licht von verständlichen auszulegen bei diesem Thema sehr schwierig anzuwenden ist, weil jede Partei den "verständlichen Text" verschieden auswählt.

Alfred Kuen arbeitet in seinen Büchern sehr viel mit Zitaten, die zwar seine Belesenheit dokumentieren, in der vorliegenden Schrift aber zur Klarheit wenig beitragen. Immer wieder fragt sich der Leser, ob der Verfasser wirklich der Meinung ist, die er zitiert. Dazu kommt, daß naturgemäß viele französischsprechende Autoren genannt werden, die dem interessierten Leser in Deutschland aber kaum bekannt sind. Der Verlag trägt das Seine zur (optischen) Verwirrung bei, indem er weitgehend auf Fußnoten verzichtet, angeblich, um "das Seitenende nicht mit zu vielen Fußnoten zu belasten", was keinesfalls der besseren Lesbarkeit dient. Das Schriftbild läßt streckenweise sehr zu wünschen übrig. Man vergleiche z.B. S. 41 und 70. Ein sachlicher Fehler ist auf S. 159: Dr. Werner de Boor (der auch einige Schriften im gleichen Verlag veröffentlicht hat) war kein Baptist, sondern ein Glied der Landeskirche (Kirchenrat) aus Schwerin.

Leider finden sich in diesem Buch auch inhaltlich eine ganze Anzahl Aussagen, die geeignet sind, den Leser, der eine biblisch gegründete Antwort sucht, zu verwirren. Sie sind entweder nur behauptet oder exegetisch durchaus nicht eindeutig, wie z.B. die Frage, ob es wirklich eine Apostolin Junia gegeben habe (S. 69f) oder ob die Predigt mit der prophetischen Rede gleichgesetzt werden müsse und demzufolge auch Frauen diese "Freiheit" gewährt wäre (S. 111ff).

Die Grenze zur Spekulation wird überschritten, wenn z.B. Gründe aufgeführt werden, die es Jesus seinerzeit verwehrt hätten, weibliche Apostel zu benennen (S. 61) oder wenn mit Verweis auf Apg 1,14 behauptet wird, daß Frauen am Pfingsttag öffentlich weissagten (S. 91).

Am schwerwiegendsten ist wohl die Wiedergabe von 1Tim 2,12, wo Paulus einer Frau weder erlaubt zu lehren, noch über den Mann zu herrschen, was Kuen, obwohl "die Mehrzahl der griechischen Wörterbücher diese Wortbedeutung nicht aufgreift" (S. 193), dennoch in der Weise zu deuten versucht, daß Paulus den Frauen in der Gemeindeversammlung nur dann das Lehren verbietet, wenn sie es in herrschsüchtiger Art tun. Ansonsten hätte er es ihr erlaubt. An dieser mit großem Aufwand erstellten Wiedergabe hängt praktisch das ganze letzte Drittel seines Buches. Aber es hängt anscheinend in der Luft.

Wiederholt zieht der Verfasser gegen den naiven Bibelleser zu Felde, dem man natürlich "keinen Vorwurf machen" darf, "wenn er weiterhin denkt, daß Paulus der Frau verbietet, in der Gemeinde zu lehren" (S. 214, vgl. auch S. 217f, 291 und vor allem S. 21ff, wo er die Folgen einer "einfachen" Methode der Schriftauslegung z.T. böse karikiert).

Man hätte sich bei diesem schwierigen und umstrittenen Thema gewünscht, daß der Verfasser deutlich zwischen klaren und sicheren Aussagen dem Bereich der Spekulation unterschieden hätte. Besonders wichtig wäre das auch bei den zeitgeschichtlichen Aussagen gewesen, die an manchen Stellen die Auslegung wesentlich beeinflussen. Wenn man sie schon eine so gewichtige Rolle spielen läßt, dann sollte man ihrer selbst wenigstens so sicher sein, daß man sich nicht nur auf andere Kommentare, sondern auf Primärtexte und eindeutig belegte Fakten stützt.

So verwirrt das Buch mehr, als daß es klärt, es verunsichert mehr, als daß es zum Vertrauen auf das Wort Gottes ermutigt.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Karl-Heinz Vanheiden
 Kategorie: Gemeinde, Gottesdienst, Leitung

  Verlag: SCM R. Brockhaus
  Jahr: 1997
  ISBN: 3-417-21414-9
  Seiten: 320
 €    Preis: 17,90 Euro

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