Buch-Rezension: Der Vater - Roman eines Königs

Der Vater

Autor:

Die Lebensgeschichte Friedrich Wilhelm I. von Preußen - des Soldatenkönigs - wird in diesem historischen Roman aufeine urige­wöhnliche und eindrückliche Weise von dem bekannten Schriftstel­ler aufgezeichnet.

Es ist die Geschichte des ersten großen Preußenkönigs, der aus dem Armenhaus Europas ein blühendes, stabiles und geordnetes Land machte. Ein König eiserner Disziplin, ungeheuren Fleißes, tiefer Gottesfurcht und Frömmigkeit. Aber auch ein Mann, dem sein Temperament zeitlebens zu schaffen machte und der durch seine Härte sich selbst und seinen Nächsten gegenüber das Herz. seiner Kinder verlor. Jedoch zum Lebensende hin wurde er ein liebender, gütiger und vorsorgender Vater.

Besonders die Konflikte und das Auseinanderleben mit Kronprinz Friedrich - der spätere "Friedrich der Große" - der durch die harten Erziehungsmethoden zunächst zum Hasser und Verächter seines Vaters wurde, sind bewegend zu lesen. Ebenso die letzten Jahre, in denen sich die Vater-Sohn-Beziehung überaus positiv veränderte und schließlich der bewußte Heimgang dieses genialen, von seinen Zeitgenossen unverstandenen Königs. Er wurde nur 52 Jahre alt und ging mit folgenden Worten in die Ewigkeit:

"Herr Jesus, dir leb ich, dir sterb ich; du bist mein Gewinn im Leben und im Sterben - mein Herr Jesus!"

Für alle geschichtlich interessierten Leser ein sehr anregendes Lebensbild aus einer Zeit, in welcher sich der höchste Mann Preu­ßens vor Gott als der erste Diener des Staates sah und für sich die Erkenntnis gewann, dass Könige mehr leiden müssen und auch mehr der Vergebung bedürfen als alle anderen Menschen.

Jochen Klepper hat dieses Buch in den 30 er Jahren geschrieben, als in Deutschland ein Führer an die Macht kam, dessen Ideologie und Machtbesessenheit ein Volk in den Abgrund stürzte. Somit war dieses bekannteste Werk Kleppers zudem eine indirekte, aber unü­berhörbar deutliche Kritik an Hitler und seine Politik.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Wolfgang Bühne
 Kategorie: Biografien, Lebensbilder

  Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag
  Jahr: 1991
  ISBN: 978-3423114783
  Seiten: 928
 €    Preis: 16,90 Euro
Buch-Rezension: Der Vater - Roman eines Königs

Der Vater

Autor:

Könige müssen mehr leiden können als andere Menschen.“ Wenn ein solches Eingangszitat einem Buch vorangestellt wird, ahnt man, dass dieses Buch kein herkömmlicher Roman ist.

„Der Vater“ ist kaum einzuordnen. Es ist eine Mischung aus Prosa, Poesie, Lyrik, Historienroman und biografischem Lebensbild des Soldatenkönigs, Friedrich Wilhelm I. Friedrich Wilhelm übernimmt von seinem Vater, dem ersten König „in“ Preußen, in jungen Jahren einen völlig überschuldeten „Sumpfstaat“. Entschlossen kürzt Friedrich Wilhelm den gesamten Staatshaushalt auf ein absolutes Minimum und baut im Laufe seiner Regierung Schritt für Schritt den preußischen Glanzstaat auf, den der moderne Leser mit „Preußen“ in Verbindung bringt. Der Weg zu diesem europäischen Vorzeigestaat war für den König kein leichter. Er war der ewig Missverstandene, Belächelte und Verspottete. Selbst seine Frau spann hinter seinem Rücken intrigante Fäden zwischen den europäischen Königshäusern.

Sie verzieh ihrem Mann nie die drastischen Kürzungen ihres Etats, die es ihr nicht erlaubten, „standesgemäß“ (pompös) zu leben und hatte für seine radikal auf das Wohl Preußens ausgerichtete Politik kein Verständnis.

Im zweiten Teil des Buches wendet sich Klepper hauptsächlich der problematischen Beziehung zwischen dem König und seinem Sohn, dem späteren Friedrich dem Großen, zu – daher auch der Titel „Der Vater“. Friedrich sah sich selbst als Knecht „des Königs von Preußen, der die Generationen des Geschlechtes überdauerte“ – und verlangte vom Sohn eine ähnliche Einstellung.

Gleichzeitig sah er sich aber auch als tiefgläubiger Christ in der Verantwortung Gott gegenüber, er war „König aus Gottes Gnaden“. Unter dem Druck, „beiden“ Herren gerecht zu werden, leistete Friedrich ein übermenschliches, selbstzerstörerisches Arbeitspensum, ständig getrieben von Plänen und Ideen, immer darum ringend, recht zu handeln. Sein Sohn – von der Härte und Strenge seines Vaters abgestoßen und von den musischen Künsten und einer leichten, höfischen Lebensweise angezogen – ergriff aus Verzweiflung die Flucht.

Das Spannungsfeld, in dem Friedrich zwischen „seinem König“ und seinem Gott stand, wird am deutlichsten, als Friedrich Wilhelm in seiner Funktion als König nach der misslungenen Flucht des Sohnes ein Urteil sprechen muss. Die in dieser Situation geführten Gespräche zwischen seiner Majestät und seinem Hofprediger Roloff sind sowohl an literarischer Qualität, als auch an gedanklichem Tiefgang kaum zu übertreffen – hier ein längerer Ausschnitt:

„Das erste was er [der König] danach wieder sprach, war dieses: ‚Alle reden sie immer nur von der Rache und Strafe, die ich üben werde. Rache und Strafe wären leicht – leicht auch aufzuheben. Aber das Opfer muss sein um der zerstörten Ordnung willen. Warum darf ein König nicht vergeben, wie andere Menschen vergeben dürfen -?!‘ Bleich stand Roloff vor dem König. […] In die letzte Entscheidung, die vor dem König lag, drängte er sich nicht mit blassen Sprüchen einer falschen Milde, die doch das Herz des Königs nicht erreichen konnten. Ehrfurchtsvoll hielt er sich fern vor dem Bezirk der letzten Entscheidung, in die Gott einem König Gericht und Gnade in ihrer ganzen Tiefe offenbarte. Und so hatte der König, vor der unerträglichen Härte des calvinistischen Bekenntnisses fliehend, unter den Lutheranern doch wieder nur den Strengsten gesucht, der nur einer Macht gehorchte: Gottes Anrede und Gottes Anspruch. […] So nahm der glühende Prophet des Herrn, […], die Last der schwersten Gedanken nicht von ihm; denn Gottes Schwere brach über den König herein, und keiner vermochte sie von ihm zu wenden. Unbegreiflich schien der Trost, den er dem Geängstigten zusprach, für den er betete und den er nicht aus eigener, menschlicher Klugheit beriet: ‚Eben auch das, Majestät, dass die Könige nicht vergeben dürfen wie die anderen Menschen, ist unter die Vergebung gestellt.‘ Der König hörte nur den furchtbaren Befehl Gottes heraus, dass das Gericht geschehen müsse. Seine Krone war ihm zur Dornenkrone geworden und sein Zepter zum Kreuz.“ (S. 651)

Insgesamt sind es solche Passagen, in denen vor allem der geistliche Kampf – durchdrungen mit Bibelworten und biblischen Bildern – des Königs beschrieben wird, die das Buch so wertvoll machen.

Jochen Klepper schreibt nicht nur, er malt ein Bild – das Bild des Lebens – und vor allem des Leidens – König Friedrich Wilhelms I. Der König selbst signierte seine eigenen, scheinbar harmlosen Bilder mit dem Zeichen „In tormentis pinxit“ („in Qualen gemalt“) – Klepper greift diese Vorlage auf und ‚malt‘ diese Qualen mit den Farben der Sprache – und arbeitet dabei meisterhaft!

Tatsächlich orientiert sich das Buch, sowohl sprachlich als auch inhaltlich, immer wieder an Bildern. Deutlich wird dies u.a. an den Kapitelüberschriften, die als Metapher den thematischen Schwerpunkt der Kapitel festlegen. Aber sogar viele selbst der einfachsten Sätze sind doppeldeutig zu verstehen, sowohl wörtlich, als sich auch in das große Leidensbild fügend. Gerade dieser sprachliche Farbenreichtum, der teilweise abstrakt und manchmal sogar grotesk wirkt, macht die Schilderung der Ereignisse, Gedanken und Begegnungen fesselnd und plastisch.

Das Buch gewinnt zusätzlich an Schwere, wenn man sich die tragische Biografie des Autors in Erinnerung ruft. Auch er war der ewig Missverstandene und Unerkannte (leider bis heute!). 1942 nahm er sich, gemeinsam mit seiner (jüdischen) Frau und seiner Stieftochter das Leben, da keine Hoffnung mehr auf Rettung vor den Nazis bestand.

Das ein solches Buch nicht (wirklich) leicht zu lesen ist, sollte klar sein. Allein die über 900 Seiten werden sicher jeden abschrecken, dessen bevorzugtes literarisches Genre sich irgendwo zwischen Schlagzeilen und Comics einordnen lässt. Erstmalig erschien das Buch 1937 – die Sprache wirkt dementsprechend leicht fremd. Einige französische Begriffe aus dem damaligen Hofleben erleichtern das Verständnis nicht unbedingt und auch die schon angerissene Mehrdeutigkeit fordert hohe Aufmerksamkeit und Konzentration.

Wer sich davon aber nicht abschrecken lässt, wird ein großartiges, fesselndes Stück Weltliteratur genießen können, dass auf höchstem sprachlichen Niveau, mit herausragendem Tiefgang die Begegnung mit zwei großen Geistern der Vergangenheit möglich macht – mit dem „König von Preußen“ und seinem Dichter Jochen Klepper.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Christoph Grunwald
 Kategorie: Romane, Thriller

  Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag
  Jahr: 1991
  ISBN: 978-3423114783
  Seiten: 928
 €    Preis: 16,90 Euro