Der Schutz der Religionsfreiheit im internationalen Recht
Autor: Daniel Ottenberg
Das Recht auf umfassende Religionsfreiheit (S. 72) ist eines der ältesten und wichtigsten Menschenrechte. Es betrifft die innersten und tiefsten Fragen des Menschen: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Warum bin ich? Wer bin ich? Ohne dieses grundlegende Freiheitsrecht gibt es darum keine Freiheit (S. 17). Religion ist eben nicht nur Privatsache, wie es oftmals als Schlagwort gefordert wird. Die freie Religionsausübung ist ein Gradmesser, inwieweit die Menschenrechte in der heutigen Welt verwirklicht und ernst genommen werden. Die Frage, wie es weltweit um die Religionsfreiheit gestellt ist, ist daher eine nach der globalen Umsetzung der Menschenrechte. Dies auch, weil die Religionsfreiheit etwas über verwandte Menschenrechte aussagt, das Recht der Versammlungs- und der Meinungsfreiheit, das Recht auf Erziehung, das Recht auf Selbstbestimmung und das Recht, nicht diskriminiert zu werden (S. 18). Weil Religion und Gedankenfreiheit schon immer mit (staatlicher) Machtbeschränkung zu tun hatten, ist Religionsfreiheit so wichtig. In Zeiten der „absoluten“ Toleranz, des religiösen Pluralismus sowie des postmodernen Wahrheitsverständnisses wird die richtig verstandene Religionsfreiheit immer bedeutsamer: Sie garantiert auch heute eine immer mehr in die Kritik geratene Missionierung von Andersdenkenden. Aber gerade die Weitergabe des eigenen Glaubens ist konstitutiver Bestandteil der Religionsfreiheit. Auch deshalb ist die Fragestellung der vorliegenden Arbeit über den Schutz der Religionsfreiheit bedeutsam. Dieses Werk schließt dabei eine Literaturlücke zu den Menschenrechten. Mit über 200 eingearbeiteten Urteilen stellt es erstmals umfassend den Stand der Verwirklichung der Religionsfreiheit weltweit dar. In vier Teilen werden der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, der Europarat und die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, das Recht der Europäischen Union, das Recht der OSZE, die Amerikanische Deklaration, die Amerikanische Menschenrechtskonvention sowie die Religionsfreiheit in Afrika, Asien und der islamischen Welt vorgestellt. Gut die Hälfte des Werkes nimmt dabei die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ein. Dies ist die letzte Instanz für Menschenrechtsklagen in Europa und macht darum die vorliegende Arbeit sehr interessant. Die Arbeit zeigt, dass die pessimistische Einschätzung, der Schutz der Religionsfreiheit führe ein Schattendasein, in dieser Allgemeinheit nicht geteilt werden kann (S. 233). Es wird ebenfalls deutlich, dass selbst in Mitteleuropa die Frage der Religionsfreiheit nach wie vor eine drängende ist. Da ferner ein Comeback der Religionen festzustellen ist und es keine klaren Mehrheitsreligionen mehr gibt, bleibt die Fragestellung zudem hochaktuell. Bedauerlicherweise bleibt bei dieser Dissertation neben der juristischen Fachkenntnis unklar, woher das Menschenrecht auf Religionsfreiheit historisch kommt. Für den Autor beginnt die Geschichte der Menschenrechte erst ab den 1940er Jahren. Auf eine Diskussion, wieso eine weit verstandene Religionsfreiheit tatsächlich ein universell gültiges Grundrecht ist, hat sich der Autor – aus nachvollziehbaren Gründen – ebenfalls nicht eingelassen. Trotz dieser Mängel zeichnet sich das Buch durch eine große Gelehrsamkeit aus. Außerdem steht der Arbeit die hier und dort eingeflochtene eigene Meinung des Verfassers sehr gut. Eine lohnende Lektüre zu einer herausfordernden Fragestellung.
Die Rezension/Kritik stammt von: Joachim Samuel Eichhorn
Kategorie: Sonstiges