Buch-Rezension: Das Buch zur Bibel - Die Geschichte - die Menschen - die Hintergründe

Das Buch zur Bibel

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Das „Buch zur Bibel“ will einem breiten Leserkreis die Inhalte der Bibel auf allgemein verständliche Weise nahe bringen. Die Autoren gehen davon aus, dass viele Menschen nur noch schwer einen Zugang zur Bibel finden und möchten zur eigenen Bibellektüre anregen. Das Buch ist trotz der manchmal schwierigen Themen, denen nicht ausgewichen wird (z.B. 4Mo 31 Krieg gegen die Midianiter), leicht zu lesen und interessant illustriert.

Einem allgemeinen Teil folgt ein, meist kapitelweise gegliederter, Kurzkommentar zur gesamten Bibel. Kommentiert werden in einem gesonderten Buchteil auch die Apokryphen in dem in der Katholischen Kirche üblichen Umfang. Zu vielen Themen sind vertiefende Infoboxen mit teilweise sehr hilfreichen Erklärungen eingefügt. Als Beispiele seien die Infoboxen „Das muslimische Barnabasevangelium“ (S.78) und „Der barmherzige Gott im Alten Testament“ (S. 257) genannt.

Im allgemeinen Teil werden Bibelübersetzungen, die Autorität der Bibel, Textüberlieferung und Kanonbildung sowie die religionsgeschichtliche Einordnung und das gegenwartsbezogene Verstehen der Bibel behandelt. Die „Gütersloher Bibel in gerechter Sprache“ (in demselben Verlag erschienen) wird besonders hervorgehoben. Als hauptsächliches Anliegen der Übersetzer wird der Respekt vor Frauen und der „jüdischen Bibellektüre“ genannt. Dieses Anliegen bestimmt auch einige Kommentare im vorliegenden Buch. An der „Elberfelder Bibel“ wird ihre schwere Verständlichkeit kritisiert, die „Volxbibel“ auf Grund ihrer Verständlichkeit für Jugendliche sehr positiv bewertet.

Obwohl die Autoren vorsichtig formulieren, bleibt doch kein Zweifel an ihrem Standpunkt. Sie halten die Frage von Rudolf Bultmann: „Welche Bedeutung hat die biblische Botschaft mit ihrem mythischen Weltbild für moderne Menschen, die in einer nichtmythischen Welt leben?“ für bleibend aktuell.

Im Kapitel „Textüberlieferung und Kanonbildung“ wird u.a. als Tatsache behauptet, dass der Umfang des heutigen Alten Testamentes zur Zeit von Jesus „noch völlig kontrovers“ diskutiert wurde und das einige Schriften mit zweifelhaften Verfasserangaben Eingang in den Kanon des Neuen Testamentes gefunden hätten. Das wird nicht näher belegt und auch nicht auf Gegenargumente eingegangen.

Bei der Erläuterung der historisch-kritischen Bibelauslegung, der sich die Autoren verpflichtet fühlen, wird auch die Chicago-Erklärung zur Irrtumslosigkeit der Bibel erwähnt. Dabei wird der Eindruck erweckt, dass sich „evangelikale Gemeinschaften und fundamentalistische Kreise“ der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Bibel verschließen. Die Begrenztheit wissenschaftlicher Aussagen wird nicht zum Thema gemacht. So wird z.B. gesagt, dass Jesus in den Evangelien übermenschliche Fähigkeiten zugeschrieben würden, weil sie aus der Perspektive des Osterglaubens geschrieben seien (S. 55).

Der Ansatz, außerbiblische Erkenntnisse als entscheidend für die Interpretation der Bibel darzustellen kehrt im Buch immer wieder. So seien die Bedeutung von Taufe und Abendmahl erst dann voll erfassbar, wenn rituelle Waschungen und sakrale Mahlzeiten aus der religiösen Umwelt des Urchristentums in die Interpretation biblischer Texte „vergleichend“ einbezogen würden (S. 57).

Als gegenwartsbezogene Interpretationsmöglichkeiten biblischer Texte werden die existenziale Hermeneutik von Rudolf Bultmann, die feministische und die tiefenpsychologische Bibelauslegung (Eugen Drewermann) vorgestellt. Gegen willkürliche Bibelauslegung schützt nach Meinung der Autoren die historisch-kritische Bibelauslegung, die die ursprüngliche Intention des Textes zur Sprache bringe (S. 63). Nach Meinung des Rezensenten fragt sich dann, wie der biblische Text noch als eigenständige (An-)Rede (für den Gläubigen als Rede Gottes) wahrgenommen werden kann.

Im Abschnitt „Die Bibel im interreligiösen Dialog“ wird besonders auf die jüdische und kurz auf die islamische Perspektive eingegangen. Das Prinzip „Verheißung – Erfüllung“ im Verhältnis von Altem zu Neuem Testament wird problematisiert, da es die Bedeutung des Alten Testamentes relativiere. Auch hier lassen die Autoren wichtige Informationen weg, so z. B. dass dieses Prinzip von den (jüdischen) Autoren des Neuen Testamentes selbst angewendet wird und das eine heilsgeschichtliche Bibelauslegung sehr wohl danach fragt, ob eine Verheißung ausdrücklich für Israel gegeben wurde.

Der „Prozess der Heimholung Jesu in das Judentum im 20. Jh.“ wird gewürdigt, ohne danach zu fragen ob solche Autoren wie Schalom Ben-Chorin, David Flusser und Pinchas Lapide Jesus auch in seinem Selbstverständnis ernst nehmen.

Im Kommentarteil werden neben vielen für das Bibelstudium hilfreichen Erklärungen, die besonders auch das kulturelle Umfeld und die historische Situation einbeziehen auch die oben beschriebenen Grundsätze wieder sichtbar.

Das zeigt sich z.B. daran, dass alternativlos Verfasserschaften bestritten werden. Als Beispiele seien der Abschnitt „Wer hat die fünf Bücher Mose geschrieben?“ (S.102), die Verfasserangaben zu den Propheten Jesaja (S. 288), Ezechiel (S.336), Daniel (S. 366), Sacharja (S. 406) und zu sechs der Paulusbriefe, den Petrusbriefen, dem Jakobusbrief und dem Judasbrief (s. Infobox „Pseudoepigrafie“ S. 589) genannt. Damit im Zusammenhang stehen Quellenscheidungstheorien z.B. zu den Mosebüchern und den Evangelien, die aber eher zurückhaltend beurteilt werden und Spätdatierungen der Entstehungszeit vieler biblischer Bücher.

Außerdem werden Bibeltexte an vielen Stellen historisch nicht ernst genommen, typische Beispiele finden sich z.B. bei den Erklärungen zu den Erzvätergeschichten (ab S. 110) und zum Ester-Buch (ab S. 214). Bei den Erklärungen zu den Evangelien fällt auf, dass sie weniger als Augenzeugenberichte sondern eher als Texte, die von einer späteren Gemeindesituation bestimmt sind, betrachtet werden (s. besonders Matthäusevangelium).

Teilweise werden biblische Aussagen nach Meinung des Rezensenten uminterpretiert, Beispiele sind die Aussagen zur Homosexualität in 3Mo 18 und die Bewertung des sogenannten antiochenischen Zwischenfalls (S. 487) im Vergleich zu Apg 15. Besonders deutlich wird das in der Infobox „Christlicher Antijudaismus“ (S.534). Neutestamentliche Aussagen (die alle von Juden stammen) bzw. ihre sogenannte „Wirkungsgeschichte“ in eine Reihe mit den Verbrechen des Naziregimes zu stellen ist nicht sachgemäß und nicht akzeptabel (vgl. zu den Fakten George L. Mosse, Geschichte des Rassismus in Europa, S. Fischer Verlag, Frankfurt 2006).

Prophetie im Sinn von konkreter Zukunftsvoraussage wird von den Autoren nicht für möglich gehalten, s. dazu die Erklärungen zum Propheten Daniel.

Insgesamt ist es ein informatives und schön gemachtes Buch. Viele Aussagen hat der Rezensent als problematisch empfunden. Begrenzte und umstrittene Aussagen der Wissenschaft (oder bestimmter Richtungen der Theologie) werden über- und der Offenbarungscharakter der Bibel unterschätzt. Das ist schade. Die Bibel vermittelt dagegen den heilbringenden Glauben, wenn man ihr Selbstverständnis als Gottes Wort ernst nimmt.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Thomas Freudewald
 Kategorie: Kommentare, Auslegung, Lexika

  Verlag: Gütersloher Verlagshaus
  Jahr: 2010
  ISBN: 978-3-579-08047-5
  Seiten: 640
 €    Preis: 29,99 Euro