Das Buch Genesis
Autor: Benno Jacob
Benno Jacob (1862-1945) war ein jüdischer Rabbiner und Bibelwissenschaftler, der ausführliche Kommentare zu den Büchern Genesis und Exodus verfasste. Der umfangreiche Genesiskommentar erschien bereits 1934, wurde von den Nationalsozialisten jedoch systematisch eingezogen und nach einer Phase weitgehender Vergessenheit erst um die Jahrtausendwende neu aufgelegt. Als vorzüglich ausgebildeter Sprachwissenschaftler war Jacob insbesondere ein ausgezeichneter Kenner der hebräischen Sprache. Die Auslegung im Genesis- Kommentar ist entsprechend grundtextnah und zeigt eine hohe Sensibilität für die Feinheiten der biblischen Sprache. Obwohl Jacob als Bibelexeget mit der theologischen Forschung seiner Zeit vertraut war, zeichnet sich sein Zugang zum Bibeltext durch eine große Eigenständigkeit aus, durch die der Kommentar geradezu zeitlos wirkt und kaum den Eindruck eines bereits über 80 Jahre alten Werkes vermittelt. So ist Jacob zwar mit den Quellenscheidungshypothesen seiner Zeit bestens vertraut, macht diese jedoch nie zum Gegenstand seiner eigenen Textbehandlung, sondern weist diese nach einer Untersuchung in einem ca. 100-seitigen Anhang klar zurück, an dessen Ende er zusammenfasst: „Die Theorie, dass die Genesis aus mehreren Quellenschriften zusammengesetzt sei und wieder auseinandergenommen werden könne, ist somit widerlegt“ (S. 1048). Der Text der Genesis wird in seinem eigenen Zusammenhang ausgelegt, daneben wird er jedoch durch zahlreiche Bezugnahmen auf andere Bücher des AT in den Pentateuch sowie den großen Zusammenhang des AT eingeordnet. Gelegentlich finden sich auch Verweise auf jüdische Quellen, äußerst selten sind dagegen Bezüge auf modernere Exegeten. Diese Konzentration auf den Bibeltext selbst, sowie die Eigenständigkeit in der Herangehensweise, machen das Werk für die Textauslegung wertvoll und führen auf jeder Seite zu interessanten, tiefgehenden und anregenden Erklärungen. Nicht zufällig wurde das Werk trotz seiner fehlenden Bekanntheit von einigen führenden Alttestamentlern des 20. Jahrhunderts geschätzt und rezipiert. Durch die grundtextnahe Auslegung wird der Bibeltext meist als unvokalisierter hebräischer Text wiedergegeben. Die unübersetzten Ausdrücke und Phrasen können jedoch auch von Lesern ohne Hebräischkenntnisse meist aus dem Zusammenhang erschlossen (oder mit Hilfe eines Bibelprogrammes nachvollzogen) werden. Bis auf diese kleine Einschränkung in der Benutzbarkeit ist der Kommentar eine meisterhafte Behandlung des hebräischen Bibeltextes, der gerade in seiner Eigenständigkeit und Zeitlosigkeit auch heute noch eine Fülle von Einsichten, Anregungen und Verständnishilfen enthält und das Ergebnis einer jahrelangen, unmittelbaren und tiefgehenden Auseinandersetzung mit dem Bibeltext selbst darstellt.
Die Rezension/Kritik stammt von: Benjamin Lange
Kategorie: Kommentare, Auslegung, Lexika