Das Alte Testament vom Glaubensbekenntnis her verstehen
Autor: Benjamin Kilchör
Das Apostolische Glaubensbekenntnis ist in der uns vorliegenden Form wahrscheinlich im 5. Jahrhundert entstanden. Es ist nicht apostolisch in dem Sinne, dass es von jenen Jüngern formuliert wurde, die Jesus noch selbst gesehen haben (vgl. 1Kor 9,1). Als apostolisch gilt es, weil es nach Überzeugung der Alten Kirche die Botschaft der Apostel verdichtet in einem trinitarischen Bekenntnis zusammenfasst. Auch die Reformatoren haben es im 16. Jahrhundert zusammen mit dem nicaenischen und athanasischen Bekenntnis als für den christlichen Glauben grundlegend anerkannt. In meinem Regal stehen ein paar Bücher, die sich mit der Auslegung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses befassen. Die meisten dieser Werke sind darum bemüht, das alte Bekenntnis aus der Perspektive zeitgenössischer Theologie heraus zu interpretieren. Demnach enthalte das Apostolikum nach wie vor ein „unverzichtbares Grundmuster unseres christlichen Glaubens“ (so etwa H. G. Pöhlmann, Das Glaubensbekenntnis, 2003, S. 7). Aber die Aussagen mit ihren „alten Formeln“ müssten freilich durch neue Zugänge für die Menschen von heute „freigelegt“ werden. Das bedeute dann zum Beispiel, dass der Glaube an „Gott, den Vater“ zu überdenken sei, da „uns die ständige Anrede Gottes als Vater auf ein bestimmtes Gottesbild“ festlege (so Theodor Schneider, Was wir glauben, 2014, S. III). Benjamin Kilchör, Professor für Altes Testament an der STH in Basel (Schweiz), hat für sein neues Buch einen anderen Weg gewählt. Er geht davon aus, dass das alte Bekenntnis „ganz zeitlos formuliert ist“ (S. 11) und wie ein Konzentrat das biblische Wort zusammenfasst. Das Apostolikum führt seiner Meinung nach in das biblische Wort hinein – auch in das Alte Testament. Es eigne sich sogar dafür, zu zeigen, dass das Alte Testament nicht nur eine Verstehenshilfe für das Neue Testament ist, sondern dass beide Teile der Heiligen Schrift eine Einheit bilden. Die Wichtigkeit des Alten Testaments Fokussierung auf biblische Texte Einige technische Anmerkungen: Es erleichtert die Lektüre, dass die Bibeltexte im Buch direkt aufgeführt werden (meist in der Übersetzung Luther 1984). Der Leser erspart sich so das jeweilige Aufsuchen der Bibelabschnitte und kann entspannter studieren. Die Tabelle mit alttestamentlichen Bibeltexten zum Glaubensbekenntnis sowie das Bibelstellenverzeichnis im Anhang erweisen sich als nützlich. Es lohnt sich, die Endnote aufzuschlagen. Dort sind nicht nur die Quellenangaben, sondern verschiedentlich lohnende Anmerkungen und Literaturhinweise zu finden. Fazit: Ich habe Das Alte Testament vom Glaubensbekenntnis her verstehen mit großem Gewinn gelesen und empfehle es von Herzen weiter. Möge es vielen Christen dabei helfen, die Liebe zum Alten Testament zu erwecken oder zu festigen.
Ausgangspunkt für die Entstehung des Manuskripts war die Beobachtung, dass in Gemeinden und sogar in den Pfarrschaften eine gewisse Unsicherheit „in Bezug auf die Bedeutung des Alten Testaments für den Glauben und das Leben als Christ besteht“. Dabei sind die Wurzeln der Bekenntnisaussagen, die im Apostolikum ausgesprochen werden, schon im Alten Testament zu finden. Wir dürfen uns – so Kilchör – von diesen nicht abschneiden, „da ein Baum ohne Wurzeln stirbt“ (S. 9). Das Alte Testament vom Glaubensbekenntnis her verstehen ist so aufgebaut, dass es den einzelnen Artikeln des Apostolikums folgt. Es will hauptsächlich auf der Grundlage des Alten Testaments herausarbeiten, „wer der Gott ist, an den wir Christen glauben, und in welchem Verhältnis wir zu ihm stehen“ (S. 11). Das Glaubensbekenntnis ist nämlich nicht einfach eine Sammlung von Aussagen über Gott, „sondern es setzt diejenigen, die es sprechen, in ein persönliches Verhältnis zu Gott“ (S. 14). Kilchör brilliert im Buch durch akribische Einzelbeobachtungen am alttestamentlichen Text; es erweist sich außerdem als hilfreich, dass er immer wieder Bezüge zum Neuen Testament herstellt.
Im gesamten Buch lassen sich bemerkenswerte Textbeobachtungen und praktische Implikationen finden. Die Fokussierung auf biblische Texte, die verständlich ausgelegt und in Beziehung zu verwandten Texten gesetzt werden, überzeugt. Auf diese Weise wird deutlich, dass das alte Apostolikum biblisch fest verankert ist und so, wie es ist, in unsere spätmoderne Zeit hineinspricht. Sichtbar wird fernerhin, wie umfangreich und tiefgründig das Alte Testament die großen Themen des Neuen Testaments vorbereitet, insbesondere das Kommen des eingeborenen Sohnes. Was Kilchör über die Erniedrigung und Erhöhung von Jesus Christus schreibt, hilft, das Evangelium besser zu verstehen. Angenehm ist, dass bei schwierigen Themen wie etwa Christi Abstieg in die Unterwelt Auslegungsmöglichkeiten mit der angemessenen Zurückhaltung vorgestellt werden (vgl S. 110–117). Gewünscht hätte ich mir hier eine Betrachtung der lateinischen Formulierung „descensus Christi ad inferos“ (so die lt. Fassung des Apostolikums), die in der Geschichte der Kirche auch als „Höllenfahrt“ gelesen und von manchen im Sinne einer Allversöhnung gedeutet wurde. Christus habe demnach die ganze Menschheit aus der Unterwelt erlöst.
Die Rezension/Kritik stammt von: Ron Kubsch
Kategorie: Kommentare, Auslegung, Lexika
Jahr: 2023
ISBN: 978-3765521515
Seiten: 240
€ Preis: 20,00 Euro