Auf getrennten Wegen
Autor: Richard Kilian
"Nur noch ein Kapitel", war mein meistgedachter Gedanke beim Lesen dieses Buches. Denn eigentlich hatte ich gar keine Zeit, und eigentlich hatte ich eine Menge Anderes zu tun. Aber das Buch hat mich gepackt und einfach nicht mehr losgelassen. Und so wurden es dann doch jedesmal ein paar Kapitel mehr. Dabei wollte ich das Buch eigentlich gar nicht lesen. Die Beschreibung klang so nach Kriegsgeschichte, und Kriegsgeschichten mag ich gar nicht. Aber dann kam alles ganz anders. Die Handlung beginnt wohl während des Zweiten Weltkriegs, aber vom Krieg selbst kommt nur ganz am Anfang ein wenig vor; das war gut zu verkraften. Der Rest fügt sich so flüssig und selbstverständlich in den Handlungsablauf ein, dass man nur noch die handelnden Personen sieht, ihr persönliches Ergehen, ihre Ängste und Nöte, dass man meint, mit ihnen aufgewachsen zu sein. Andererseits erlebt man die Umstände hautnah mit: den Druck auf die Zivilisten und auf die jungen Rekruten, die Willkür der Machthabenden in Deutschland, Ängste und Belastungen der jungen Soldaten und die allgegenwärtige ängstliche Stimmung. Erich und Hans sind Pflegebrüder. Sie leben in einem kleinen Dorf im Wald und verstehen sich prima. Beide sind leidenschaftliche Naturwissenschaftler, der eine im Bereich der Physik, der andere mehr in der Chemie. Doch dann wird Erich zum Kriegsdienst eingezogen. Er soll nach Norwegen gehen – aber er kommt nie dort an. Der Zug wird angegriffen, und in den folgenden Wirren kann er entkommen. Aber nicht ganz. Auf etlichen Umwegen landet er in den USA. Auf ebenso verschlungenen Wegen kommt Hans nach Frankreich. Beide können nicht zurück – und sie wissen nichts voneinander, jahrzehntelang. Bis sich alles ändert… Was mich am meisten beeindruckt hat, war die Gradlinigkeit der Handlung: Keine künstlichen „Zufälle“ und keine untypischen Entscheidungen, jeder bleibt er selbst und seinem Charakter treu, auch in den schweren Zeiten. Am Ende wird deutlich, dass es keine „Zufälle“ gibt und dass unser Vater im Himmel auf jedes seiner Kinder achtet, auch wenn man das selbst gar nicht bemerkt und oft mißversteht. Dieses Buch hat mir Ruhe und Frieden gegeben, obwohl die Umstände oft alles andere als friedlich sind. Außerdem fand ich die Einblicke in eine Zeit, die selbst meine Eltern nur als Kinder erlebt haben, sehr eindrücklich geschildert. Von den Alten erzählt niemand gern aus dieser Zeit, und deshalb ist es für unsereins oft unverständlich – aber hier wird diese Zeit lebendig und formuliert eine Botschaft für jeden aus unserer Generation, die mich sehr angesprochen und beeindruckt hat. Jederzeit wieder so ein Buch!
Die Rezension/Kritik stammt von: U. K.
Kategorie: Romane, Thriller