Athlet des Evangeliums
Autor: Uta Poplutz
Während Jesus in seinen Gleichnissen in vielfältiger Weise Bezug nimmt auf die ländliche Lebenswelt und die soziale Wirklichkeit Galiläas, um das Wesen der Herrschaft Gottes und seines Kommens zu erläutern (vgl. W. Bösen, Galiläa als Lebensraum und Wirkungsfeld Jesu: Eine zeitgeschichtliche und theologische Untersuchung, 2. Aufl.; Freiburg: Herder, 1990, 189-200), greift Paulus an vielen Stellen auf die hellenistisch- römische Welt zurück, um durch verschiedene Bilder geistliche Wahrheiten zu veranschaulichen (vgl. den Überblick bei D. J. Williams, Paul’s Metaphors: Their Context and Character, Peabody: Hendrickson, 1999). Zu dieser Bilderwelt gehört auch der antike Sport, selbst wenn Paulus schreiben kann, dass die leibliche Übung zu wenig nütze ist (1Tim 4,8) und beinahe untrennbar mit heidnischer Religion verwoben war (vgl. auch 1Makk 1,12-16, 2Makk 4). Diesem Thema widmet sich die vorliegende Studie. In der Einleitung umreißt P. die Relevanz des Themas, die Forschungsgeschichte und beschreibt Zielsetzung und Vorgehensweise der Untersuchung (3-15). Nach der folgenden sprach- und metapherntheoretischen Grundlegung (17-31) gibt P. im ersten Teil einen guten Überblick über Geschichte und Wirkung der sportlichen Wettkämpfe in der Antike. Sie beginnt mit antiken und modernen Begriffsbestimmungen (35-70), beschreibt Wesen und Ablauf verschiedener bekannter sportlicher Wettkämpfe der Antike (71-99; u.a. die Olympien des Zeus – von denen sich die heutigen Olympischen Spiele ableiten – und die Isthmischen Spiele zu Ehren des Poseidon in der Landenge von Korinth), die Rolle von Frauen in antikenWettkämpfen und die Vorbereitung auf Wettkämpfe (Gymnasion, Organisation und Training). Nach Schilderung der antiken Wirklichkeit untersucht P., welche Rolle der sportliche Wettkampf im übertragenen Gebrauch in der hellenistisch-römischen Literatur spielt (101-217). Wettkampfmetaphern waren in der heidnischen und jüdischen Literatur vor Paulus weit verbreitet (Philo, Josephus, 4. Makkabäer). Der Wettkampf wurde zu dem Symbol des nach Weisheit und Wahrheit strebenden Philosophen schlechthin. Auf diesem Hintergrund wendet sich P. im zweiten Teil den Vorkommen bei Paulus zu. „Leidenskampf und Ruhmeskranz: Die Agonmetaphorik im 1Thessalonicherbrief“ behandelt 1Thess 2,1-2 („Gelitten, misshandelt, gekämpft“) und 2,19 („Hoffnung, Freude, Ruhmeskranz“). Dann geht es ausführlich um 1Kor 9,24-27 mit der Aufforderung an die Korinther, so zu laufen, dass sie gewinnen (245-91; der Läufer im Stadion, das Preisgeld, das Vorbild des Paulus). Der Philipperbrief wird in zwei Briefe aufgeteilt und in zwei Kapiteln behandelt (dazu vgl. T. Weißenborn, Apostel, Lehrer und Propheten II: Leben und Briefe des Apostels Paulus; Marburg: Francke, 2004, 166-71): Im sog. „Gefangenschaftsbrief“ (Phil 1,1-3.1; 4,1-7; 293-328) geht es um die Aufforderung zur Nachahmung im Kampf (1,27-30), die Gefahr, ins Leere gelaufen zu sein (2,16), den Siegeskranz des Apostels (4,1) sowie um die Ermutigung, dass niemand allein kämpft (4,3). Im sog. „Kampfbrief“ (Phil 3,2-21; 4,8f, 349-73) untersucht P. Philipper 3,12-16 (‚Das Ziel verfolge ich …!’: Paulus als ‚Vorläufer’ der Gemeinde). Unter dem Zitat aus Galater 5,7 „Gut seid ihr gelaufen…“ beschreibt P. die Wettkampfbilder im Galaterbrief (329-47; Gal 2,2: nicht ins Leere laufen, 5,7: Ansporn und Ermunterung zu einem guten Lauf). Im Römerbrief (375-92) sieht P. Wettkampfmetaphorik in 9,16 („so liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen“), kaum ausgeprägt dagegen in der Aufforderung des Paulus an die Gemeinden, mit ihm im Gebet zu kämpfen (15.30). Uta Poplutz hat sich mit ihrer Untersuchung auf die in der kritischen Wissenschaft als echt anerkannten Paulusbriefe beschränkt. Weitere Studien müssten mit ähnlicher Methodik und Ausführlichkeit die anderen Paulusbriefe untersuchen (z.B. Kol 2,18; 3,15; 1Tim 4,7; 6,12; 2Tim 2,5; 4,7f; Vorarbeiten bei E. Sauer, Es geht um den ewigen Siegeskranz: Kampf- und Sportbilder des Neuen Testaments als Ansporn des Glaubens; Wuppertal: R. Brockhaus, 1955). Zu thematisieren wäre auch, wie zwischen Metaphern aus dem Sport und militärischen Metaphern (Zusammenstellung bei Williams, Paul’s Metaphors, 211-44) unterschieden werden kann, da beide Aspekte, zumindest in der griechischen Zeit, eng miteinander verbunden waren. Sind einige der Stellen, die P. den Sportmetaphern zurechnet, nicht eher militärische Bilder (z.B. die Philipperstellen, 326f)? Insgesamt eine wichtige und anregende Untersuchung, die zum Verstehen der dahinter liegenden sportlichen Wirklichkeit und der Wettkampfmetaphern bei Paulus Wesentliches beiträgt. Bei etwas Ausdauer wird man von den Auslegungen der Einzeltexte im eigenen Studium und in der Predigtvorbereitung profitieren. Zum anderen wird durchweg deutlich, wie beherzt Paulus sich der Gegebenheiten seiner Welt und ihrer Bildersprache bedient, um geistliche Wahrheiten auszudrücken und seine Gemeinden zu ermutigen und zu ermahnen. Manche christliche Predigt und nötige Ermahnung wäre weniger langweilig und spröde, wenn heutige Verkündiger mutiger und spritziger Sachen und Bilder aus ihrem Umfeld heranziehen würden, um den Zuspruch und Anspruch des Evangeliums zupackend zu formulieren – auch mit dem Risiko, dass hin und wieder ein Schnellschuss ins Abseits geht.
Die Rezension/Kritik stammt von: Christoph Stenschke
Kategorie: Sonstiges