Buch-Rezension: Apostel, Lehrer und Propheten - Einführung in das Neue Testament

Apostel, Lehrer und Propheten

Autor:

Bücher, die sich mit der Entstehung des Neuen Testaments befassen, nennt man gewöhnlich „Einleitungen“. Aus bibeltreuer Sicht gibt es etwa die „Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments“ von Erich Mauerhofer oder die mittlerweile bei Brunnen erhältliche deutsche Ausgabe der Einleitung von Carson/Moo/Morris. Diese Bücher befassen sich auch mit den Einwänden der vermeintlich historischen Kritik. An zugänglicheren und knapperen Einleitungen können noch Fritz Grünzweigs „Einführung in die biblischen Bücher“ oder die Bibelkunde von Gerhard Hörster genannt werden. Sehr hochwertig und bebildert ist das „Studienbuch“ von Elwell/ Yarbrough, das in Lektionen gegliedert ist und Lernziele formuliert. Auch Thomas Weißenborn, theologischer Leiter am Marburger Bildungs- und Studienzentrum, hat mit „Apostel, Lehrer und Propheten“ eine solche Einleitung verfasst, die mittlerweile in zweiter Auflage auch als Gesamtausgabe erhältlich ist. Grund genug, sich das Werk noch einmal anzuschauen.

Erklärtes Ziel des Autors ist es, Erkenntnisse der Theologie in allgemein verständlicher Form zu vermitteln. Er verspricht „nicht nur ein Nachschlagewerk“, sondern auch „eine Einladung zum eigenen Nach- und Weiterdenken“, frischen Wind und einen neuen Ansatz - und weckt so hohe Erwartungen.

Das Buch beginnt im ersten Teil mit einem geschichtlichen Überblick, in dem zunächst die Zeit „zwischen den Testamenten“ geschildert wird. Sodann wird ein Blick auf die jüdische Gesellschaft des ersten Jahrhunderts geworfen, wobei ein Schwerpunkt auf einflussreichen Gruppierungen wie den Pharisäern, Sadduzäern und Essenern liegt. Nach diesem Überblick widmet sich Weißenborn sodann den einzelnen neutestamentlichen Schriften. Die synoptischen Evangelien werden gemeinsam behandelt, wobei ausführlich auf die Frage eingegangen wird, wie sich diese Evangelien zueinander verhalten. Weißenborns These dazu in Kurzfassung: der griechische Markus ist abhängig von der hebräischen Originalfassung des Matthäusevangeliums, Lukas von Markus und die griechische Übersetzung des Matthäusevangeliums wiederum von diesen beiden. Das Johannesevangelium wird dem Apostel zugeschrieben und textkritische Probleme (etwa bezüglich des Berichtes über die Ehebrecherin) erörtert. Hinsichtlich der Datierung nennt Weißenborn verschiedene Optionen, ohne sich festzulegen. Die Apostelgeschichte schreibt er Lukas zu, der sie Anfang des Jahres 62 verfasst haben soll.

Den Erörterungen der Briefe wird eine Einführung vorangestellt, in der unter anderem auch auf das Problem der Pseudoepigraphie eingegangen wird. Im Anschluss werden die einzelnen Briefe behandelt, Ort und Zeit der Abfassung und die Verfasserfrage diskutiert. Wo erforderlich geht Weißenborn auch auf textkritische Probleme ein. Er plädiert hier etwa für die Einheitlichkeit des 2. Korintherbriefs, für die südgalatische Hypothese, hält es für möglich, dass der Epheserbrief auch als Rundbrief gedacht war, plädiert für die Einheitlichkeit des Philipperbriefs und für die Apostolizität des Kolosserbriefs und der Pastoralbriefe. Nachdem alle Schriften des Neuen Testaments auf diese Weise behandelt wurden, schließt das Buch mit einem Literaturverzeichnis, einer Erklärung verwendeter Fremdwörter und einer Zeittafel.

Frischer Wind? Neuer Ansatz? Einladung zum Nach- und Weiterdenken? Hält das Buch, was es verspricht? Ja, das tut es. Weißenborn vollbringt tatsächlich das Kunststück, Theologie in allgemein verständlicher Form zu vermitteln – und nicht nur das, es gelingt ihm auch noch in unterhaltsamer, ja zum Teil regelrecht spannender Form, ohne dabei an Niveau einzubüßen. Profunde Sachkenntnis, saubere Argumentationen, plausible Thesen – das ist Wissenschaft, wie sie eigentlich sein sollte.

Sehr genau trennt der Autor zwischen Fakten und Vermutungen und traut sich, Fragen auch einmal offen zu lassen, wenn seiner Meinung nach die Entscheidungsgrundlage nicht ausreicht. Selbst an Stellen, wo der Leser möglicherweise eine andere Lösung vorzöge, muss er doch die gut begründeten Thesen des Verfassers zumindest für denkbar halten.

Selten hat mir ein theologisches Buch so viel Freude gemacht wie diese für mich beste deutschsprachige Einleitung. Ich empfehle sie nachdrücklich zur Anschaffung!

 Die Rezension/Kritik stammt von: D.F.
 Kategorie: Sonstiges

  Verlag: Francke-Buchhandlung GmbH
  Jahr: 2012
  ISBN: 978-3868273236
  Seiten: 544
 €    Preis: 24,95 Euro
Buch-Rezension: Apostel, Lehrer und Propheten - Einführung in das Neue Testament

Apostel, Lehrer und Propheten

Autor:

Ausführliche bibeltreue Einleitungen in das Alte und Neue Testament in deutscher Sprache sind rar. Neben der evangelikalen NT Einleitung von E. Mauerhofer (Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments: bearbeitet von David Gysel, 3. Aufl.; Nürnberg: VTR, 2004, einbändig, 625 S.) gibt es jetzt mit Thomas Weißenborns Bänden eine weitere, sehr brauchbare ähnlich orientierte NT Einleitung. Ich konzentriere mich hier auf Band 2 zu den Paulusbriefen, doch vorher knapp zum ersten und dritten Band. Der erste Band beginnt nach dem Vorwort (7-10) mit einem knappen Überblick über dieWelt des NT (11-59; geschichtlicher Überblick, verschiedene frühjüdische Gruppierungen, die griechisch- römische Welt). Dann werden die synoptischen Evangelien zusammen behandelt (60-170), gefolgt von Johannesevangelium (171-203) und Apostelgeschichte (204-49). Band drei behandelt 1Petrusbrief bis Offenbarung, gefolgt von einem Nachwort (198-210, im Wesentlichen eine Meditation über Mt 2,1-11 mit evangelistischer Zuspitzung) und einem Anhang (Literaturempfehlungen, Literaturverzeichnis, Erklärung der Fremdwörter, Zeittafel zum NT, die Skizze „Die Entstehung des NT im Überblick“ stellt für jedes ntl. Buch Verfasser, Entstehungsort und Abfassungszeit zusammen (216f).

Weißenborn, Dozent am Marburger Bibelseminar (einer zum Gnadauer Verband gehörenden Ausbildungsstätte, www.marburger- bibelseminar.de) umreißt seine Zielsetzung als „... einen Überblick über die gesamte Breite der heutigen Einleitungswissenschaft zu geben und zwar unabhängig von der Frömmigkeitsrichtung der jeweiligen Autoren.Wo wir nichts Sicheres wissen können, wird klar gesagt, dass es sich bei dem Dargestellten um Annahmen und Vermutungen handelt und auf welchem Weg man zu ihnen gekommen ist“ (9). Sind historisch bedingte Entscheidungen in der Einleitungswissenschaft derart und durchweg von der „Frömmigkeitsrichtung“ abhängig? So gehören nicht alle Vertreter der Provinzhypothese für den Galaterbrief einer Frömmigkeitsrichtung an, man denke nur an R. Riesner, C. Breytenbach, T.Witulski und R. Schäfer!

W. beginnt den zweiten Band mit einer Einführung zu „Briefe(n) in der Antike und im Neuen Testament“ (11-27): antike Briefe, Typisches für Paulusbriefe, Briefeingang, Briefschluss, Zitate und Anspielungen/ mögliches Traditionsgut, eigenhändig geschriebene und diktierte Briefe, selbständig arbeitende Sekretäre, Pseudepigraphie [sic]; vgl. dazu den hervorragenden Überblick bei P. Eckstein, Gemeinde, Brief und Heilsbotschaft: Ein phänomenologischer Vergleich zwischen Paulus und Epikur, HBS 42 (Freiburg, Basel, Wien: Herder, 2004), 19-46. Zur Pseudepigraphie schreibtW.: „... dann sind Pseudepigraphen schlichtweg Fälschungen – und müssen auch in den ersten Gemeinden als solche verstanden worden sein“. W. selbst will (mit vielen weiteren Gründen) dem Urteil des Urchristentums und der alten Kirche folgen. Ferner gibt W. einen Überblick über das Leben des Paulus (28-56).

Anschließend widmet sich W. den einzelnen Paulusbriefen. Ich greife einige umstrittene Positionen heraus. W. argumentiert für die Einheitlichkeit des 2. Korintherbriefs (90-92), die Empfänger des Galaterbriefs sind in der Provinz Galatien zu suchen (die sog. Provinz- oder Südgalatien-Hypothese, 98-106), ferner ist der Brief früh zu datieren („unmittelbar nach dem ‚antiochenischen Zwischenfall’ und damit unmittelbar vor dem ‚Apostelkonzil’“, 115), Epheser als ein echter Brief des Paulus an die Gemeinde in Ephesus (136-48; mit guter Grundsatzdiskussion, 149-53), Philipperbrief aus Rom (176), Kolosser als echter Paulusbrief (187-94), beide Thessalonicherbriefe von Paulus „(mit) zwei Schreiben, die derselbe Verfasser kurz nacheinander versandt hat, lassen sich sowohl die Unterschiede als auch die Gemeinsamkeiten erklären“, 217), „die Briefe an Timotheus und Titus lassen sich durchaus als authentische Paulusbriefe verstehen“ (252). Im Philemonbrief sieht W. einen „Aufruf zu seiner sanften Revolution“ (273-76).

Dabei referiert und diskutiert W. durchweg andere Positionen ausführlich und fair. Detailliert und überzeugend begründet W. seine konservativ/evangelikalen Positionen, die dem deutschsprachigen (evangelischen) Forschungskonsens fast durchgängig widersprechen. Es bleibt nur zu wünschen, dass W.s Positionen mit derselben Fairness begegnet wird, die er anderen zuteil werden lässt. Vertreter des kritischen Konsenses hätten mit W. eine gute „Reibefläche“, wenn sie statt des üblichen Ignorierens solcher Positionen die Auseinandersetzung suchten, um W.s Positionen eigene Argumente entgegenzusetzen. Leichter sollten sie es sich (und ihren Studierenden) nicht machen!

Der Anhang bietet Literaturverzeichnis und eine Erklärung der Fremdwörter. Das thematische Vorgehen bei den einzelnen Briefen ist unterschiedlich, da der Autor keinem festen Schema folgt (wie etwa die NT Einleitung von Udo Schnelle). Am Schluss jedes Kapitels finden sich Endnoten mit verstreuten Hinweisen zur gegenwärtigen Forschung, jedoch kein systematischer Überblick oder eine Aufstellung von wichtigen Kommentaren und Studien.

Das allgemeinverständlich und flüssig geschriebene Buch eignet sich für Gemeindebibelarbeit auf hohem Niveau (z.B. als Ergänzung zu W. A. Elwell, R.W. Yarbrough, Studienbuch Neues Testament; Wuppertal: R. Brockhaus, 2001), für den Religionsunterricht sowie als Lehrbuch für die Bibelkunde und NTEinleitung an Bibelschulen und Seminaren. Ferner gibt es (zusammen mit Mauerhofer und den großen englischen evangelikalen NT Einleitungen) Studierenden (und Dozenten!) an nicht-evangelikalen Ausbildungsstätten einen hervorragenden Überblick über Positionen, die hierzulande oft verschwiegen oder von vornherein als veraltet oder lächerlich abgetan werden, so dass W.s Aussage im Vorwort „Das letzte Urteil bleibt damit Ihnen überlassen“ (9) heute leider kaum umgesetzt wird. Wie blass und verwirrend wird eine „kritische Forschung“, die ihre eigenen Ergebnisse für selbstverständlich nimmt und teils kaum noch zu wissen scheint, was genau zu kritisieren sie einst angetreten war. W. möchte „Hintergrundinformationen zu den ntl. Büchern, die einerseits für alle Interessierten verständlich sind, andererseits aber auch einen Überblick über die Diskussion unter den Theologen geben“. Beide Ziele hat er erreicht.

Für einen Überblick über den Forschungsstand zu den einzelnen Briefen wird man am besten auf Schnelle oder D. A. Carson, D. J. Moo (An Introduction to the NT, 2. Aufl.; Grand Rapids: Zondervan, 2005, 784 S., deutsche Übersetzung in Vorbereitung, Gießen: Brunnen) zurückgreifen. Zu fragen wäre ferner, ob sich neben dem Kapitel zu Leben und Werk des Paulus auch ein Abschnitt über die paulinische Theologie bzw. über die neuere Paulusforschung gelohnt hätte (dazu vgl. J. D. G. Dunn, Hrsg., The Cambridge Companion to St. Paul; Cambridge: CUP, 2003 oder B. Witherington, The Paul Quest: The Renewed Search for the Jew of Tarsus; Downers Grove, Leicester, IVP, 1998).

Andere Themen der ntl. Einleitung wie die Geschichte und Kritik des ntl. Textes und die Entstehung des Kanons des NTwerden nicht behandelt; dafür vgl. G. Hörster, „Textkritik“ in H.-W. Neudorfer, E. J. Schnabel (Hrsg.), Das Studium des Neuen Testaments I: Eine Einführung in die Methoden der Exegese, BWM 434 (Wuppertal: R. Brockhaus; Giessen: Brunnen, 1999) 51-68 und U. Swarat, „Geschichte des neutestamentlichen Kanons“, in H. -W. Neudorfer, E. J. Schnabel (Hrsg.), Das Studium des Neuen Testaments II: Exegetische und hermeneutische Grundfragen, BWM 8 (Wupnen, 2000), 267-89 und Carson/ Moo, Introduction, 24-31, 726-43. Carson und Moo bieten ferner einen hervorragenden Überblick über die Geschichte und den gegenwärtigen Stand der ntl. Forschung (31-76); auf Deutsch vgl. H. W. Neudorfer, E. J. Schnabel, „Die Interpretation des Neuen Testaments in Geschichte und Gegenwart“, in Neudorfer/Schnabel, Studium I, 13-38.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Christoph Stenschke
 Kategorie: Sonstiges

  Verlag: Francke-Buchhandlung GmbH
  Jahr: 2003
  ISBN: 3-86122-676-6
  Seiten: 256
 €    Preis: 8,95 Euro

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