Buch-Rezension: Alle in einem Boot - Ökumene - und der Preis der Einheit

Alle in einem Boot

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Der Verfasser, Diplom-Religionspädagoge und Prediger untersucht vom biblischen Standpunkt aus Entstehung, Geschichte und heutige Situation der ökumenischen Bewegung und anderer damit zusammenhängender Einheitsbestrebungen. Er macht klar, dass man von der gegenwärtigen Schwäche des ÖRK nicht auf einen Verfall der Bewegung schließen darf. Der ökumenische Gedanke geht inzwischen weit über den Weltrat der Kirchen (ÖRK) oder die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) hinaus. Er hat die meisten Kirchen erfasst, viele Christen geprägt und ist dabei, den evangelikalen Raum zu durchsäuern. Sehr interessant ist die Rolle der Katholischen Kirche. Sie entsendet zwar nur Beobachter zum ÖRK. Diese haben inzwischen aber volles Stimmrecht bei den Versammlungen.

Nach einer kurzen biblischen Betrachtung und einem allgemeinen Überblick über die "Ökumene zwischen Zeitgeist und katholischer Vereinnahmung" erläutert der Verfasser, wie der ursprüngliche Begriff, der in der Bibel zwar vorkommt, aber nie eine geistliche Bedeutung hat, heute neu gefüllt wird. Das geht so weit, dass man inzwischen von "Großer Ökumene" spricht und dabei die Verbindung mit nichtchristlichen Religionen meint. Ihnen gegenüber ist man ebenso tolerant, wie man christlich-konservativen Bewegungen gegenüber intolerant ist. Das Missionsverbot ist nur eine Konsequenz daraus.

Eine Stärke des Taschenbuches ist der sachliche geschichtliche Teil. Der Verfasser beginnt bei den Vorläufern der Ökumene, führt auch andere überkonfessionelle Bünde des 19. Jahrhunderts, wie z.B. die Evangelische Allianz, auf und schildert dann die Entwicklung der modernen Ökumene bis zur Konstituierung des Ökumenischen Rates der Kirchen am 23.8.1948. Deprimierend ist es, die Entwicklung des ÖRK am Beispiel seiner Vollversammlungen zu verfolgen. Interessant ist die Rolle der Orthodoxen Kirchen vor und nach der politischen "Wende", die durch ihren heutigen Einfluss manche Entwicklungen zu bremsen scheinen.

Je ein Kapitel behandelt besonders die Ökumene in Deutschland und das Verhältnis der Evangelikalen zur Ökumene. "Durch die volle Integration der Pfingst- und Charismatischen Bewegung ist der Prozess der Ökumenisierung der Evangelikalen in Deutschland erheblich vorangekommen." Es ist erschreckend, wie weit manche Evangelikale gehen, dass sie selbst "darauf erpicht sind, mit der Römischen Kirche Abendmahlsgemeinschaft aufzunehmen" (S. 123).

An dieser und an einigen anderen Aussagen zur modernen Entwicklung (z.B. S. 117 ProChrist) vermisse ich allerdings aktuelle Belege, was die Glaubwürdigkeit erhöht hätte. Eine Frage ist mir auch, ob man der Stellung des Papstes zur Abtreibung so misstrauisch gegenüber stehen sollte. Könnte man hier nicht doch den Standpunkt einnehmen, wie ihn die Padua-Erklärung formuliert: "Bei der Erfüllung des Kulturauftrags kann es Momente des Kontakts geben ... bei der Erfüllung des Missionsbefehls nicht."? Zwei auffällige Schreibfehler sollten in der nächsten Auflage getilgt werden: S. 163: die Gründerin der Blankenburger Allianzkonferenz hieß "Anne von Weling". S. 17, 2. Absatz ist "ihr Ziel" zu streichen.

Ein Quellenverzeichnis, ausführliche Personenangaben und ein Endnotenverzeichnis runden das aufschlussreiche und unbedingt lesenswerte Buch ab.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Karl-Heinz Vanheiden
 Kategorie: Sonstiges

  Verlag: CLV Christliche Literatur-Verbreitung
  Jahr: 2000
  ISBN: 3-89397-455-5
  Seiten: 192
 €    Preis: 3,50 Euro

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