Buch-Rezension: Judas Iskariot Legende und Wahrheit - Judas in den Evangelien und das Evangelium des Judas

Judas Iskariot Legende und Wahrheit

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Im vorliegenden Band sammelt der argentinische Neutestamentler Horacio Lona zunächst die Angaben über Judas Iskariot im Neuen Testament (14-52). Im folgenden Kapitel „Die Gestalt des Judas: Geschichte und Deutungen“ (54-80) behandelt Lona Herkunft, Namen, den historischen Hintergrund und Konflikt, die Voraussetzungen, die messianische Hoffnung, den Weg nach Jerusalem sowie den sich anbahnenden Konflikt (Umstände und Entscheidung des Judas). Dem folgt ein Überblick über die Deutungen des Neuen Testaments: Judas als Verräter, als Werkzeug des Teufels bzw. Gottes, Judas der Dieb sowie seinen Irrtum und die Verzweiflung, die zu seinem Suizid führte. Lona schließt mit seinem Versuch einer historischen Deutung der Person des Judas. Theologische Deutungen werden ausgeschlossen. Lona rekonstruiert hinter dem Verrat enttäuschte messianische Hoffnungen des Judas. Er ist „jemand, der sich in der Bedingtheit jeder menschlichen Freiheit für seine Wahrheit der messianischen Hoffnung – nach der traditionellen Vorstellung – entscheidet“ (79).

Nach dem ntl. Befund beleuchtet Lona Judas in der altkirchlichen Literatur (82-100) bei den Autoren der Großkirche das Interesse der Gnostiker an Judas und das Phänomen der christlichen Gnosis, die sog. Kainiten, allgemeine Informationen zu den Texten aus Nag Hammadi sowie zu Judas in diesem Textkorpus. Auf diesem Hintergrund untersucht Lona das kürzlich populär gewordene Judasevangelium (102-57). Nach allgemeinen Informationen, literarischer Form und Struktur geht es um den Inhalt dieser gnostischen Schrift, nämlich das Gottesbild, das Glaubensbekenntnis des Judas, Judas, der von Jesus Auserwählte, die Offenbarung über die Entstehung der Welt, die Kritik an der Großkirche, das „große und heilige Geschlecht“, die Kultkritik, durch Leiden zur Vollendung (die letzten Fragen des Judas, die Stunde der Vollendung und Auslieferung). Abschließend zeichnet Lona den theologischen Ort des Judasevangeliums nach (151-56). Im „Ausblick“ (160-66) fasst Lona zusammen und schließt: „Zu einem besseren oder gar völlig anderen Verständnis der historischen Gestalt des Judas trägt das Judasevangelium nichts bei“ (160), was analog auch für Jesus gilt. Literaturverzeichnis und verschiedene Register schließen den Band ab.

In der Darstellung der ntl. Hinweise ist Lona an einigen Stellen zu kritisch. Lassen sich die verschiedenen ntl. Angaben nicht stärker zu einem Gesamtbild harmonisieren? Immerhin ist die reflektierte Harmonisierung von Quellen ein legitimes Mittel historischer Forschung. Darf man die „theologische“ Deutung des Neuen Testaments so leicht bei Seite schieben? Die Darstellungen des Judas in der altkirchlichen Literatur und des Judasevangeliums sind fundiert und allgemeinverständlich. Lonas Bändchen bietet jenseits von allem Sensationsjournalismus eine gute Darstellung und Würdigung des Judasevangeliums („… über sensationalistische Ankündigungen hinaus eine sachliche Sicht der Fakten zu bieten“, 12) und einen nötigen Gegenpol zu populären und wissenschaftlichen Studien, die aus kirchenkritischen und teilweise fadenscheinigen historischen Gründen dieses Evangelium (und andere apokryphe Evangelien!) gegenüber den kanonischen Evangelien und ihrem Zeugnis von Jesus Christus aufwerten wollen und als die eigentlich authentischen Schriften des Urchristentums ausgeben wollen (dazu vgl. auch M. Green, Die verborgenen Bücher: Wie das Neue Testament entstand – Mythos und Wahrheit; Wuppertal: R. Brockhaus, 2007). Den Text des Judasevangeliums enthält der Band nicht.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Christoph Stenschke
 Kategorie: Sonstiges

  Verlag: Verlag Herder
  Jahr: 2007
  ISBN: 978-3-451-29562-1
  Seiten: 176
 €    Preis: 16,90 Euro