Biografie: Bonhoeffer
Autor: Eric Metaxas
„Den Pietisten zu liberal und den Liberalen zu pietistisch“ – so wurde Bonhoeffer zu seiner Zeit und so wird er weithin auch heute noch beurteilt. Doch mit beiden Kategorien wird man diesem Mann, der mit 39 Jahren wenige Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges als Widerstandskämpfer von den Nazis erhängt wurde, nicht gerecht. Diese neue, ausführliche und gut recherchierte Biographie Bonhoeffers – dazu von einem Amerikaner geschrieben! – schildert die aristokratische Umgebung, in der er aufwuchs: Eine wohlhabende, hochgebildete Akademiker-Familie, in der Literatur, Musik und Kultur gepflegt wurden. Der Vater als angesehener Neurologe und Psychiater eher ein Humanist, während die Mutter eindeutig pietistisch von der „Herrnhuter Brüdergemeine“ geprägt war. Sie war es vor allem, die ihre Kinder schon in jungen Jahren mit der Bibel vertraut machte und ihnen eine natürliche und gottesfürchtige Frömmigkeit vorlebte. Interessant, dass Dietrich Bonhoeffer als Fünfzehnjähriger zum ersten Mal eine Evangelisation in Berlin erlebte, in der Bramwell Booth, der Sohn und Nachfolger von William Booth, als Leiter der Heilsarmee predigte und einen großen Eindruck auf ihn machte. Während die anderen Geschwister in verschiedensten akademischen Disziplinen Karriere machten, studierte Dietrich als einziger Theologie und geriet zunächst unter den Einfluss von liberalen Theologen, darunter der bekannte Adolf von Harnack. Erst Jahre später in Amerika kam Bonhoeffer – inzwischen promovierter Theologe und restlos enttäuscht von der liberalen Oberflächlichkeit der amerikanischen Kirchen – wieder unter den Einfluss erwecklicher, evangelikaler Christen und zwar in den „Negerkirchen“. Seine Bekehrung hat offensichtlich im Jahr 1931 unter diesem Einfluss stattgefunden, denn von da an bekam er eine völlig andere Beziehung zur Bibel und zum Gebet. Der Leser wird mit hineingenommen in den mal halbherzigen, mal erbitterten Kirchenkampf der „Bekennenden Kirche“ gegen die „Deutschen Christen“ und erfährt auch Bonhoeffers vorbildlichen Einsatz als Studienleiter und Seelsorger des theologischen Seminars der „Bekennenden Kirche“ in Finkenwalde. In diese Zeit fällt auch die Entstehung seines wohl bekanntesten Buches „Nachfolge“. Während Deutschland – vom Nazi-Rausch wie narkotisiert – Hitler begeistert und blind in den Zweiten Weltkrieg und damit ins Verderben folgte, formierte sich unter den wenigen gewissenhaften Offizieren, Akademikern und Politikern der Widerstand, in dem dann auch Bonhoeffer eine führende Rolle spielte. Er fühlte sich nach vielen inneren Kämpfen Gott und seinem Gewissen verpflichtet, beim „Tyrannenmord“ mitzumachen. Diese letzte, tragische Periode seines Lebens gerecht zu beurteilen, scheint für uns heute kaum möglich zu sein. Einerseits weicht Bonhoeffer von seinen eigenen beschworenen Prinzipien wie Eindeutigkeit, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit ab. Aber um Deutschland von einem wahnsinnigen Massenmörder und seiner „Schurkengalerie“ zu befreien, wird er zu einem Doppelagenten, der nun seine Briefe mit „Heil Hitler!“ unterschreibt und doch erleben muss, wie alle Anschläge auf Hitler in letzter Minute scheitern und die mutigen Widerstandskämpfer in den letzten Kriegstagen erschossen oder gehängt werden. Andererseits ist es bewegend zu lesen, mit welchem Gottvertrauen und welcher Glaubensheiterkeit Bonhoeffer die letzten Monate seines Lebens in den Gefängnissen der Gestapo verbringt und schließlich am 9. April 1945 in aller Frühe erhängt wird. War Dietrich Bonhoeffer ein „christlicher Märtyrer“? Er wurde nicht wegen seines Glaubens an Christus, sondern wegen der Verschwörung gegen Hitler hingerichtet. Diese „Verschwörung“ aber war die Folge einer Gewissensentscheidung, die Bonhoeffer im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und Menschen getroffen hatte und für die er bereit war zu sterben. Diese Biographie vermittelt ein tragisches und folgenschweres Stück deutscher Geschichte und auch ein demütigendes Bild der Evangelikalen, die in jener Zeit bis auf wenige Ausnahmen geschwiegen haben, sich anpassten oder Hitler blind gefolgt sind. Zahlreiche zitierte Briefe Bonhoeffers, seiner Verlobten, seiner Verwandten und Freunde helfen dem Leser, Bonhoeffer selbst und auch die politische Situation seiner Zeit besser zu verstehen und daraus Lehren für die Gegenwart, aber auch für die Zukunft zu ziehen, wenn ein anderer Diktator, der an Grausamkeit und Bosheit Hitler weit übertrifft (siehe Offb 13), weltweit die Menschen manipulieren wird.
Auch von seiner Liebe zu Jesus Christus, seinem Herrn, konnte er seitdem offen sprechen. Wieder in Berlin erlebte er den für ihn und seine Freunde unfassbaren, kometenhaften Aufstieg Hitlers, dessen antichristliche, judenfeindliche und rassistische Gesinnung und Politik er sofort durchschaute und gegen die er in aller Deutlichkeit Stellung bezog.
Die Rezension/Kritik stammt von: Wolfgang Bühne
Kategorie: Biografien, Lebensbilder